Paris/Rom/Moskau/Kopenhagen - Die Pariser Zeitung "Le Figaro" kommentiert den Wahlausgang in Großbritannien: "Großbritannien ist nicht mehr nur jene erstaunliche Insel, wo die Leute auf der anderen Straßenseite fahren. Nein, in Zeiten eines Tony Blair ist Großbritannien zu einem Land geworden, wo die Linke die Politik der Rechten übernimmt, wo die Rechte in eine Sackgasse läuft und wo die konservativen Zeitungen dazu aufrufen, Labour wiederzuwählen. Der Sieg von 'New Labour' ist nicht vergleichbar mit dem vom Mai 1997. Damals rollte eine rosa Welle über unseren Kontinent. Die Wiederwahl Blairs ergibt sich aus zwei Faktoren. Da ist einmal die Wirtschaft mit ihrem bemerkenswerten Wachstum, wodurch in vier Jahren eine Million Arbeitsplätze geschaffen wurden. Und andererseits der Misserfolg der konservativen Opposition, die es nicht vermocht hat, sich zu erneuern und ein glaubwürdiges Programm vorzulegen." Zum erneuten Wahlsieg von Tony Blair meint die italienische linksliberale Zeitung "La Repubblica" (Rom) am Freitag: "Tony Blair hat es geschafft. Der 'Golden Boy' geht in die Geschichte ein. Noch nie zuvor hat die Labour-Linke zwei Siege nacheinander errungen. ... Und doch ist es in dieser Wahlnacht mit drei Sinnbildern der britischen Kultur bergab gegangen. Die Wahlbeteiligung sank Richtung Rekordtief in der Nachkriegsgeschichte. ... Das Land wählte Blair in Apathie, nicht mit dem Enthusiasmus, der noch vor vier Jahren herrschte. Das britische Pfund sank gegenüber dem Dollar auf einen Tiefstand und hat sogar gegen den schwachen Euro etwas nachgegeben. Aber das könnte ein Glück sein. Denn die Märkte beginnen darauf zu wetten, dass London der Einheitswährung beitritt, und lösen damit die Operation Abwertung aus. Schließlich zeigt die ruhmreiche konservative Partei keinerlei Anzeichen für einen neuen Aufschwung." Die Moskauer Tageszeitung "Iswestija" schreibt am Freitag: "Tony Blairs Konzept von 'New Labour', das angepasst ist an die liberale Doktrin des 'alten Thatcherismus', hat gute Resultate erbracht. Die Gewerkschaften, die von (der früheren Premierministerin Margaret) Thatcher in den Staub getreten wurden und die verlernt haben, der Wirtschaft zu diktieren, was man wie machen muss, haben auch unter 'New Labour' ihr Haupt nicht wieder erhoben. Experten sagen, dass Blairs 'New Labour' kein Sozialismus ist. Es geht nicht um Umverteilung, sondern um schrittweise Veränderungen." Die liberale dänische Tageszeitung "Politiken" (Kopenhagen) meint am Freitag zum Thema: "Die Geschichte einer vorhersehbaren Wahl könnte man als Überschrift wählen, wenn eines Tages die Annalen der britischen Wahlen geschrieben werden. Dass Tony Blairs Labourparty gewann, überraschte niemanden. Unter Führung von William Hague haben die Konservativen praktisch zu keinem Zeitpunkt eine echte Bedrohung für Blair und dessen Regierung ausgemacht. Dass Blairs Sieg so lange so sicher war, lag vor allem an drei Dingen. Zum einen vermochte seine Regierung einigermaßen sicher die meisten Krisen und Skandale zu umschiffen, während die Konservativen dabei vorsichtig ausgedrückt weniger Glück hatten. Zum anderen machte es Blairs erfolgreiche Wende nach rechts den Konservativen extrem schwer, den eigenen Standpunkt zu finden. Und zum Dritten favorisiert das britische Wahlsystem die dominierende Partei in extremem Ausmaß." (APA)