Kunst und Kultur
George Sand - als Mann verkleidet in andere Sphären dringen
Die unkonventionelle Schriftstellerin propagierte die "freie Liebe"
Männerkleider, schwere Stiefel, Zigarre oder Pfeife rauchend, forsch im Auftreten, auf Konventionen pfeifend, Parolen von der Gleichwertigkeit der Frau und der freien Liebe ungeniert und überzeugt heraus posaunend, das sind Attribute, die gemeinhin mit George Sand verbunden werden.
George Sand (Pseudonym für Amandine Aurore Lucie Dupin), ein "Mannweib", so wurde sie von ZeitgenossInnen beschimpft und auch heute noch von verklemmten und unaufgeklärten Männern tituliert. In Wirklichkeit war sie ihrer Zeit weit voraus und sah vielleicht persönlich keinen anderen Weg aus der Ungerechtigkeit und Beschneidung des weiblichen Geschlechts herauszutreten. Zumindest ansatzweise.
Forderung nach freier Liebe
Denn dieser Weg, soweit "Mann zu sein", "dass ich in Bereiche und Milieus eindringen konnte, die mir als Frau verschlossen waren", wie sie in "Histoire de ma vie" (1855) schrieb, war auch durchaus politisches Handeln. In der Mitte des 19. Jahrhunderts, der Blüte des bürgerlichen Frauenideals, waren George Sands Habitus, Lebensstil und Weltbild die reinste Provokation.
In ihrem Liebesleben versuchte sie die Schranken zu übertreten und machte ihre unzähligen Liebschaften – Alfred de Musset, Prosper Mérimée, Frédéric Chopin, Schauspielerin Marie Dorval - publik - und das obwohl ehebrecherische Frauen damals mit Zuchthaus bestraft wurden. Die Institution der Ehe war ihr verhasst, sie prangerte sie als häuslichen Kerker für Frauen an.
George Sands überaus erfolgreicher Roman "Indiana", erschienen 1831, thematisiert die Einengung der Ehe für die Frau und ihre Leidenschaften. Stattdessen trat sie für den Wert echter Liebe ein und verwarf die Fesseln einer lieblosen Ehe; so radikal war dieser Gedanke literarisch noch nie vertreten worden. Neun Jahre war sie selbst verheiratet, doch sie verließ Mann und ihre zwei Kinder und ging mit ihrem jugendlichen Liebhaber nach Paris. Dort arbeitete sie für "Le Figaro" und "La Revue des Deux Mondes". Zu dieser Zeit entstand auch ihr erster Roman "Rose et Blanche" (1830).
"Das Handwerk des Schreibens ist eine glühende Leidenschaft..."
"... wenn sie sich eines armen Kopfes bemächtigt hat, kommt er davon nicht mehr los."
Als 1833 ihr Roman "Lélia" publiziert wurde, war sie bereits über Frankreichs Grenzen hinaus bekannt und sehr umstritten. Ihr Buch "Mademoiselle La Quintinie", in dem eine katholische Frau zum Freidenkertum wechselt, war ausschlaggebend, dass ihr gesamtes Werk auf den Index gesetzt und aus den öffentlichen Bibliotheken verbannt wurde.
In den 40er Jahren schrieb sie vor allem sozialistische Romane wie "Horace" (1841) und "Consuela" (1842), in denen sie ihre Visionen vom Verschmelzen der sozialen Klassen darlegte und Kritik erntete. Mit Pierre Leroux gründete sie 1841 die "Revue Indépendante" – eine Annäherung an frühsozialistische Ideen. Auch real agierte sie als Sozialistin und später als Kommunistin. In der Februarrevolution 1848 redigierte sie das Bulletin der Republikaner. Als der Aufstand niedergeschlagen wurde, zog sie sich enttäuscht in die Provinz, nach Nohant, zurück, wo sie bis zu ihrem Tod lebte.
Relativer Konservativismus im Frauenbild
Trotz George Sands - für die damalige Zeit progressiver und daher für die herstory-Debatte interessanter - literarischer Abhandlung einer durch Männer unmenschlich gemachten und korrumpierten Gesellschaft, in der Frauen eingekerkert sind, blieb ihre Frauenidologie eine relativ konservative. Sie hielt die patriarchale Geschlechterpolarität - Männer seien rational, Frauen emotional - aufrecht, denn obwohl sie Männer als berechnende Verstandeskrüppel verteufelte, idealisierte sie in gleicher Weise die reine Gefühlshaltung und unbedingte Liebesbereitschaft der Frau.
Aus dieser Ideologie heraus lehnte sie auch politische Ämter für Frauen ab. Sie selbst hätte auf Vorschlag der Schriftstellerin Eugénie Niboyet, Herausgeberin von "La Voix des Femmes" und in der Wahlrechtsbewegung Tätige, als Kandidatin der "Verfassungsgebenden Versammlung" 1848 nominiert werden sollen, was sie ausschlug. George Sand wollte für die Frauen lediglich die "zivilrechtliche Gleichheit, die Gleichheit des Ehestatus und die Gleichheit in der Familie". Ein Vorbild blieb sie troztzdem. (dabu)