Palo Alto - Schon Kinder lernen in den USA: "There is no free lunch". Will heißen, für alles muss man irgendwann einen Preis bezahlen. Eine Lektion, die nun auch die Fans der Musiktauschbörse Napster lernen. Nach Monaten gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen Napster und der mächtigen Musikindustrie, die den Internetdienst wegen Verletzung des Urheberrechtes verklagte, ist Schluss mit dem kostenlosen Herunterladen von Musiktiteln. Ab dem Spätsommer, so der Deal mit den Plattenfirmen Warner Music, Bertelsmann Music Group (BMG) und EMI, wird Napster ganz legal Musik zum Downloaden anbieten - gegen Gebühr. Das bedeutet nicht, dass das Content-Sharing oder der P2P-Trend (Peer to Peer) tot sind. Tatsächlich symbolisiert Napster nur die Spitze des Eisbergs. Denn in Zeiten, in denen jede Form des Heim-Entertainments digitalisiert wird, dürfte das Content-Sharing den Medienunternehmen, die fette Margen gewohnt sind, noch lange Kopfschmerzen bereiten. "P2P-Networking ist dabei, die Gesellschaft zu verändern", meint Jim Banister, der einstige Vizepräsident von Time Warner's Entertaindom. "Denn jeder Konsument ist nun gleichzeitig Produzent, Anbieter und Verteiler." Nicht nur das. Während bei Napster in den vergangenen Monaten die Zahl der getauschten Titel von einst 2,8 Milliarden im Februar auf 360 Millionen abbröckelte, verzeichneten andere Tauschbörsen wie Gnutella, Launch oder Aimster einen kräftigen Zuwachs. Aimster, die auch den Zugriff auf Filme, Software und Bilder erlaubt, wurde inzwischen ebenfalls vom Dachverband der Musikindustrie RIAA verklagt. Ungeklärte Fragen Wenn der Sprecher der Bertelsmann E-Commerce Group (BeCG), Frank Sarfeld, auch die Einigung als "endgültigen Durchbruch für Napster" feiert, bleiben eine Menge ungeklärter Fragen. Nur wenige Stunden bevor der Deal publik wurde, erklärten sowohl Warner als auch EMI, dass sie nur dann den Zugriff zu den Millionen Musiktiteln erlauben, wenn der Urheberschutz ihrer Titel befriedigend gelöst sei. Selbst Bertelsmann hat trotz Zusammenarbeit mit Napster seine Milliardenklage bislang nicht zurückgezogen. Ebenso wenig beantwortet der Deal die Frage, wie das Preismodell aussieht. Napster wird wohl teurer als erwartet. BeCG war anfänglich von monatlich drei bis fünf Dollar als Grundgebühr ausgegangen, was jedoch nicht die Musik der großen Labels einschließt. Technische Herausforderungen Auch sollten die enormen technischen Herausforderungen nicht vergessen werden. Napster muss seinen Service, der auf einer Menge unterschiedlicher Computer aufgebaut ist, in MusicNet integrieren, das auf dem anderen Format basiert und von wenigen zentralen Computern gehandhabt wird. Experten erwarten deshalb, dass die neue Napster eine reichlich unbeholfene Mischung aus Alt und Neu mit unterschiedlichen Technologien, verschiedenen Kompensationsmodellen für die Labels und unterschiedlichen Sicherheitsmechanismen sein wird. Kein Wunder, dass CEO Hank Barry das Ganze als "langfristigen Prozess" bezeichnete. Doch dieser Prozess scheint inzwischen selbst in Hollywood Interesse zu finden. Dort will man angeblich die Geschichte von Shawn Fanning, dem 23-jährigen Schöpfer von Napster, und dessen Kampf gegen eine 40-Milliarden-Dollar-Industrie verfilmen. (Rita Neubauer, DER STANDARD, Printausgabe 9.6.2001)