Krems - Er ginge lieber nach Bordeaux als nach Berlin, sagt Theaterleiter Stephan Bruckmeier, er schwärmt von Avignon und schimpft liebevoll hassend auf Wien. Eva Hosemann hat dieselben Präferenzen, und auf diese Weise circa leiten sie zusammen das Theater Rampe in Stuttgart, eine Mittelbühne im Zahnradbahnhof. Der Niederösterreicher und die gebürtige Augsburgerin, beide 39, haben vor Jahren die Wiener Theaterszene hoffnungsvoll aufgemischt, dann aber in Richtung Deutschland einfach das Weite gesucht. Mit der Intendanz des Niederösterreichischen Donaufestivals haben sie diese Weite nun in Österreich wiedergefunden. Denn: Niederösterreich will etwas, sagt Hosemann. Obendrein soll Krems, Kernort der Veranstaltung, jetzt künstlerisch das werden, was im Empfinden Amsterdam stadttechnisch immer schon war: ein sich selbst konterkarierender Ort, der schön ist, aber "stinkt". So unternimmt ein weltgeographisch eher lauschig eingesponnenes Festival einen neuen Anlauf. Eine nähere (Neu-)Definition des Festivals blockt das Leitungsduo ungeniert mit der Begründung ab, dass für spartenübergreifende oder -auflösende Bühnenkünste, wie sie zu sehen sein werden, noch kaum Begriffliches existiere. "Es ist einfach, heute Peter Brook zu definieren, aber vor 30 Jahren war es das auch nicht." Strömungen heißt deshalb das für drei Jahre gebuchte Motto, welches für die, sagen wir, vielfältigen Veranstaltungen einen vagen Rahmen bilden soll. Hosemann bekennt indes wagemutig: "Es ist eine Veranstaltung, die versucht, möglichst viele Ist-Zustände von künstlerischem Suchen und Schaffen an einem Ort zu versammeln." Bruckmeier zieht nach: "Wir suchen ganz einfach nach Darstellungsformen auf der Bühne. Die darstellende Kunst begreift sich leider immer noch hauptsächlich über das Stadttheatersystem. Genau das sparen wir aus. Wir haben nichts Klassisches. Wir wollen die Ungezähmten aufspüren! Mit der Theatergruppe Mozgó Ház aus Ungarn, dem Komponisten Rafael Reina oder der Autorin Sibylle Berg ist uns das aber sicher gelungen." Kolumbus ist tot Ob sich neben dem Landläufigen des Programms (von Attwenger bis Karl Markovics) wirklich Neues hervortut, kann man seit der freitägigen Eröffnung in Krems, Korneuburg und Tulln überprüfen. Überhaupt aber, meint Bruckmeier, "sind die Kolumbus-Tendenzen am Ende. Es wird kein Material mehr gefunden. Man wird wieder subjektiver, es gibt nicht die linken oder die bürgerlichen Theatermacher wie in den 70er-, 80er-Jahren." Ob der Schritt nach Krems ein erster zurück nach Wien ist, sei mit folgender Behauptung dahingestellt: "Wien ist so dicht im Hochkulturdünkel! Ich entdecke nicht viel. Aus unserer Zeit haben W.U.T. ( das Wiener Unterhaltungstheater , Anm. ) und Karl Welunschek ( Intendant des Rabenhofs, Anm. ) überlebt, aber von A bis V ist alles zugrunde gegangen. Es ist so viel Rahm, dass darunter die Luft verloren geht! Das hat mit dieser Hauptstadt zu tun: Sie machen sich's ja gegenseitig. Die Wiener fahren nach Berlin und umgekehrt, und der Festwochen-Intendant kriegt die ganzen Nestroys . Das ist Altmännerspaß. So fad!" (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9./10. 6. 2001)