Jetzt sollte man auch in Österreich die Bürger zur Osterweiterung der EU befragen. Die Sache sei zu ernst, um die Entscheidung allein in Brüssel zu treffen, sagt die FPÖ, angeführt von ihrem einfachen Parteimitglied. Das ist nicht falsch, weil es für eine Volksbefragung gute Argumente gibt. Die freilich auch für andere Themen zu gelten hätten.

Warum hat die FPÖ nicht verlangt, die Studenten über die Einführung der Studiengebühren zu befragen? Warum wurden die Unfallrentner nicht gefragt, ob sie sich extra besteuern lassen sollen? Warum gibt es kein Referendum über die neuen Schulgesetze?

Die Antwort: Weil es der FPÖ nicht um mehr Demokratie geht, sondern immer um dasselbe. Um Populismus und die Ausnützung von Vorurteilen. Seit einem Jahrzehnt, seit dem Ausländer-Volksbegehren, kehren die FP-Initiativen gegen Zuwanderung und Öffnung unter verschiedenen Titeln wieder.

Die Entscheidung der Iren spiegelt im Grunde die Angst vor dem Verlust enormer EU-Privilegien wider. Und eine Opposition zur Tatsache, dass es in Brüssel eine Tendenz zur Beschneidung der Rechte kleiner Staaten gibt.

Das kümmert Jörg Haider und Susanne Riess-Passer eher weniger. Für die freiheitliche Spitze ist die irische Ablehnung des Vertrages von Nizza der Vorwand für einen Zwischenwahlkampf in einer für die FPÖ schwierigen Situation. Schwere Stimmenverluste in Wien, enorme personelle Probleme in der Regierung und schwere Fehler in der Industriepolitik legen ein Ablenkungsmanöver nahe.

Daher könnte sich dieses Szenario zur bisher schwersten Koalitionskrise auswachsen. In der sonntägigen "Pressestunde" hat ÖVP-Klubobmann Andreas Khol den Haider-Vorstoß bereits abgelehnt. Sicherlich nicht ohne Rücksprache mit dem Bundeskanzler. Also muss der Kärntner Landeshauptmann heute nachgeben oder nachlegen. Einlenken ist aber nicht sein Stil. Weshalb eher turbulente Tage in der österreichischen Innenpolitik zu erwarten sind. Die ÖVP will und kann nicht mehr hinter die Khol-Erklärung zurück. Einerseits hält sie sich zum Unterschied von der FPÖ an Präambel und Regierungserklärung. Andererseits würde sie sich mit der Zustimmung zu einer Volksbefragung einen schweren Konflikt mit Wirtschaft und Industrie einhandeln. Dort ist man über die Performance der schwarz-blauen Regierung ohnehin sehr enttäuscht. Ganz abgesehen von den jüngsten Westenthaler-Aussagen zur Zuwanderung. Denn eine weitere Quotensenkung würde via Arbeitskraft-Defizite und Budgetpolitik zu einer stärkeren Abschwächung des Wirtschaftswachstums führen.

Der FPÖ-Vorstoß zwingt auch die Sozialdemokraten zu einer Begradigung. Offiziell bewegen sie sich auf der Schröder-Schüssel-Linie mit der siebenjährigen (gestaffelten) Übergangsfrist für die Öffnung des Arbeitsmarktes. Die Arbeiterkammer jedoch vertritt nach wie vor eine harte Linie und ist darin von den Freiheitlichen kaum zu unterscheiden.

Beim jüngsten Weltkongress der Tageszeitungen in Hongkong sagte der chinesische Industrie-Tycoon David Tang, jedes Land brauche heutzutage die Einwanderung. Sonst werde man "dumm". Denn Migranten seien, selbst als Flüchtlinge, bereit zum Risiko. Genau das brauchten Gesellschaften für ihren Erfolg. Dafür gebe es genug historische Beispiele. Tang, einer der Oberkapitalisten Asiens, steht mit dieser Ansicht nicht allein. Sie wird in den USA sogar von den Republikanern des Präsidenten George Bush vertreten.

Und in der Welt der Kultur ist man sich (abgesehen von einigen versprengten Ultrarechten) ohnehin einig. Immigration stärkt die Kreativität einer Gesellschaft. Das Wien der Jahrhundertwende ist ein solches Beispiel. Osterweiterung und mehr Zuwanderung als bisher sind daher auch heute Bedingungen für das ökonomische (und geistige) Wachstum unserer Republik. Wer das nicht begreift, schadet dem wohlverstandenen Fortschritt.