Visby - Die EU-Kommission startet eine Offensive für Biosprit. Der Anteil am gesamten verkauften Treibstoff soll sich in den nächsten vier Jahren verdreifachen, sieht eine neue Richtlinie vor, an der Brüssel gerade den letzten Feinschliff vornimmt. Sie soll bis Ende Juli auf dem Tisch liegen. Ziel des Vorstoßes: Der Anteil soll von derzeit mageren 0,8 Prozent bis 2005 auf zwei Prozent klettern. Die neue EU-Richtlinie soll aber zu keiner Verteuerung von Sprit führen, versichert die Kommission. Um die höheren Produktionskosten für den grünen Treibstoff auszugleichen, soll er von der Steuer befreit werden. "Die zusätzlichen Erzeugungskosten für 1000 Liter Biotreibstoff belaufen sich auf 300 Euro", sagte Günther Hanreich von der EU-Direktion Transport und Energie (Tren) dem S TANDARD . Um ohne Steuerbefreiung auszukommen, müsste der Ölpreis bei 70 EURO je Fass liegen, schätzen Experten. Das sind etwa 50 Dollar. Derzeit kostet ein Barrel (159 Liter) "nur" rund 30 Dollar. Offen bei der Richtlinie ist noch, ob Biosprit den konventionellen Treibstoffen beigemengt werden soll, wie dies in Frankreich getan wird, oder als reines Produkt in Nischenmärkten angeboten wird. Dies ist derzeit in Deutschland und Österreich der Fall. "Die Entscheidung darüber soll der Markt treffen. Ebenso, ob die Quote über Benzin oder Diesel erreicht wird", sagte der aus Österreich stammende EU-Direktor am Rande eines Parlamentariertreffens zum Thema "Erneuerbare Energie" auf der schwedischen Ostseeinsel Gotland. Praktikabel Beide Varianten seien praktikabel, meint Hanreich. Die in Frankreich schon heute praktizierte Beimischung zum herkömmlichen Sprit habe den Vorteil, dass kein eigenes Verteilernetz erforderlich sei und man große Mengen am Markt über das Tankstellennetz absetzen könne. Aber auch der Verkauf über Nischen (sprich die Abgabe von reinem Biosprit) habe einigen Charme. Technische Probleme für den Fuhrpark sieht der EU-Direktor keine. "Einen Anteil von Biokraftstoff von zehn bis 15 Prozent verkraften die meisten Autos." Mit Widerstand der Finanzminister rechnet der EU-Direktor nicht. Schließlich würden Steuerausfälle durch niedrigere Ausgaben für Ölimporte volkswirtschaftlich wieder ausgeglichen. Derzeit gibt es keine steuerlichen Ausnahmen für Biosprit, außer für Pilotprojekte. Der jüngste Vorstoß der Kommission ist Teil der Bestrebungen, den Anteil erneuerbarer Energieträger deutlich anzuheben. So soll deren Anteil an der Stromerzeugung von jetzt unter 14 Prozent bis zum Jahr 2010 auf über 23 Prozent ansteigen. Um dieses hehre Ökoziel zu erreichen, müssten einige Mitgliedsländer noch ordentlich Dampf machen, mahnt Hanreich: "Auch Österreich muss bei den Erneuerbaren noch einiges weiterbringen." Wenn das Ziel der Brüsseler Kommission nicht erreicht wird, könnte es in letzter Konsequenz auch finanzielle Sanktionen geben, ließ der EU-Direktor durchblicken. Derzeit stehe dieses Thema aber noch nicht auf der Tagesordnung der Richtlinie, die das EU-Parlament Anfang Juli beschließen soll. (Clemens Rosenkranz, DER STANDARD, Printausgabe 12.6.2001)