Wirtschaft
Japanisches Déjà vu - Von Johannes Steiner
Elf Jahre ist es her, da bereitete Japans Notenbankchef Yasushi Mieno mit radikalen Zinserhöhungen der Bubble-Economy ein jähes Ende: Die durch einen Investitionsboom in schwindelnde Höhen getriebenen Finanzwerte stürzten ins Bodenlose, damit besicherte Kredite mit einem riesigen Gesamtvolumen wurden faul, das Bankensystem näherte sich dem Abgrund, und die zweitgrößte Wirtschaftsmacht versank in einer tiefen Depression. Davon hat sie sich bis heute nicht erholt. Im Gegenteil: Die jüngsten Konjunkturdaten künden von einem Rückfall in die Rezession.
Dabei kann man den vielen Ministerpräsidenten, die das Land in seiner verlorenen Dekade am Ruder der Macht sah, gar nicht vorwerfen, dass sie untätig geblieben wären: Ein Konjunkturpaket ums andere zog durchs Land, weshalb der Staat mittlerweile auf einem gigantischen Schuldenberg sitzt. Doch die Wirtschaft fand nicht aus ihrer Deflationsspirale heraus: Die Konjunkturinfusionen versickerten im Angstsparen völlig verunsicherter Arbeitnehmer, die mit dem bisher unbekannten Wesen steigender Arbeitslosigkeit konfrontiert wurden. Die Unternehmen hielten Investitionen angesichts sinkender Preiserwartungen zurück. Und wegen der Schwäche der US-Wirtschaft versagt nun auch der Export als letzter Konjunkturmotor.
Der vor einem Monat angelobte Premier Junichiro Koizumi verspricht - déjà vu - Strukturreformen unter dem Druck des Sparens: Staatsausgaben sollen sinken, Banken sollen ihre Problemkredite abschreiben. Ökonomen sehen aber gerade darin eine Garantie, dass Japan noch tiefer in die Rezession getrieben wird. Sie raten zu einer bewussten Politik der Inflationierung und des schwächeren Yen. Für diese radikale Politikumkehr scheint Japans führende Elite aber immer noch nicht reif. (DER STANDARD, Printausgabe 12.6.2001)