Wien - Mit der Streichung der Steuerfreiheit von Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist eine Debatte über die soziale Verträglichkeit dieser Maßnahme entbrannt. Auch die Gesetzeskorrektur von vergangener Woche hat die steuerrechtliche Diskussion nicht entschärft. Unfallrenten stehen ab einem gewissen Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu, die auf einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit beruht. Die MdE wird "objektiv-abstrakt" berechnet. Das heißt, dass nicht geprüft wird, wie sich die Beeinträchtigung im konkreten Einzelfall auswirkt, sondern welche Einbußen mit der erlittenen Gesundheitsschädigung typischerweise einhergehen. Abstrakte Berechnung Es kann daher vorkommen, dass eine MdE vorliegt, die zwar im konkreten Fall zu keinem Einkommensverlust führt, aber dennoch zum Bezug einer Unfallrente berechtigt. Dies kann damit gerechtfertigt werden, dass der Betroffene sich nun mehr anstrengen muss, um denselben Verdienst zu erlangen. Allerdings kann auch der umgekehrte Fall eintreten, dass die Rente den Verdienstentgang nicht abdeckt. - Zweifellos ein Härtefall. Doch die Höhe der Rente ist eben nur abhängig vom Grad der objektiv-abstrakten Behinderung und von der Einkommenshöhe im Vorjahr. Finanziert werden Unfallrenten aus den Beiträgen zur Unfallversicherung. Diese hat der Arbeitgeber zu entrichten, der dafür bei Arbeitsunfällen seiner Dienstnehmer ein Haftungsprivileg genießt. Aufgrund des unmittelbaren Zusammenhanges der Beiträge mit der Erzielung von Einkünften beim Arbeitgeber, mindern diese Zahlungen dessen Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer. Es wäre daher nur systemgerecht, die spätere Auszahlung von Unfallrenten an Arbeitnehmer zu besteuern, da die Renten eine gewisse Einkommensersatzfunktion haben. Die bisherige Befreiung der Unfallrente von der Einkommensteuer war somit eine Ausnahmeregelung, die primär politischen Erwägungen folgte. Im Steuerrecht ist die Behandlung von Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung seit jeher wechselhaft: Zuletzt waren sie von 1988 bis 1991 steuerpflichtig. Auch außerhalb der gesetzlichen Unfallrenten ist das System nicht friktionsfrei: So werden private Renten der Besteuerung als "sonstige Einkünfte" unterworfen und wirken auf der Seite der Beitragszahler einkommensmindernd. Bei Auszahlung als Einmalbezug hingegen wird die Einkommensteuer nicht berührt. Den Vertragspartnern wird hier ein Wahlrecht gegeben, das sachlich zumindest hinterfragenswert ist. Die Besteuerung von Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung erscheint bei systematischer Betrachtung des Steuerrechts somit als logischer Schritt. Dass die Regierung "Härtefälle" nun dadurch "abzufedern" versucht, dass die Steuerpflicht bis 1. Juli teilweise gemindert wird beziehungsweise entfällt, kann als verunglückt betrachtet werden. Einerseits wird das Problem nur verlagert - und der Verwaltungsaufwand beträchtlich erhöht. Andererseits können mit den Mitteln des Steuerrechts nur Symptome bekämpft werden. Die Besteuerung von Unfallrenten ist nicht unsozial, sondern folgerichtig. Will man Probleme und Härten bei der Unfallrente wirklich beenden, ist an der Wurzel anzusetzen: im Sozialrecht nämlich, bei der bisher rein abstrakten Berechnung ihrer Höhe. (Hans Blasina, Studienassistent, Inst. f. Finanzrecht Uni Wien, E-Mail: hans.blasina@univie.ac.at