Inland
Koalitionäre Bringschuld - Katharina Krawagna-Pfeifer
Demokratie lebt vom Dialog. Nicht zuletzt vom parteiübergreifenden zwischen Regierung und Opposition. Dieser funktioniert nur
mehr in ganz wenigen Ausnahmefällen. Wobei sich allmählich die Dauer des Nichtdialogs, der seit eineinhalb Jahren währt,
belastend auswirkt. Daran ändern auch die in schöner Regelmäßigkeit von Kanzler und Vizekanzlerin einberufenen Reformdialoge
wenig, zumal sie in erster Linie als Inszenierungsmaßnahme des Ballhausplatzes zu werten sind.
Doch selbst für den Fall, dass bei diesen unverbindlichen Foren mehr als nur Sprechblasen abgesondert würden, könnten sie eine
tiefer greifende und tragfähige Gesprächsbasis nicht ersetzen. Die gilt besonders für Fragen, die mit Verfassungsmehrheit zu
behandeln sind. Hier versuchen die Regierungsparteien zwar, durch einfachgesetzliche Regelungen ihren Willen durchzusetzen.
Aber was nützt das, wenn diese von den Höchstgerichten aufgehoben werden, außer dass sich der Eindruck der Unprofessionalität
verstärkt? Dazu kommt, dass Begutachtungsfristen für Gesetze zu knapp bemessen sind, um sich darüber eine vernünftige
Meinung zu bilden. Das beklagen nicht nur Oppositionsparteien, sondern auch außerparlamentarische Gruppierungen.
Klar ist, dass sich die Opposition nicht immer am Konsens beteiligen kann. Das entbindet die Regierenden aber nicht von der
Verpflichtung, sich darum zu bemühen. Bruno Kreisky hat dies selbst in Zeiten der absoluten Mehrheit praktiziert, wissend, dass
die Herstellung von Konsens eine Bringschuld der Regierenden ist. Welche Auswirkungen es hat, wenn sie nicht eingelöst wird,
kann man anhand des irischen Votums gegen den Vertrag von Nizza studieren und möglicherweise bei einer Abstim- mung zum
Jahrhundertprojekt EU-Erweiterung in Österreich. (DER STANDARD Print-Ausgabe 12. 6. 2001)