Demokratie lebt vom Dialog. Nicht zuletzt vom parteiübergreifenden zwischen Regierung und Opposition. Dieser funktioniert nur mehr in ganz wenigen Ausnahmefällen. Wobei sich allmählich die Dauer des Nichtdialogs, der seit eineinhalb Jahren währt, belastend auswirkt. Daran ändern auch die in schöner Regelmäßigkeit von Kanzler und Vizekanzlerin einberufenen Reformdialoge wenig, zumal sie in erster Linie als Inszenierungsmaßnahme des Ballhausplatzes zu werten sind. Doch selbst für den Fall, dass bei diesen unverbindlichen Foren mehr als nur Sprechblasen abgesondert würden, könnten sie eine tiefer greifende und tragfähige Gesprächsbasis nicht ersetzen. Die gilt besonders für Fragen, die mit Verfassungsmehrheit zu behandeln sind. Hier versuchen die Regierungsparteien zwar, durch einfachgesetzliche Regelungen ihren Willen durchzusetzen. Aber was nützt das, wenn diese von den Höchstgerichten aufgehoben werden, außer dass sich der Eindruck der Unprofessionalität verstärkt? Dazu kommt, dass Begutachtungsfristen für Gesetze zu knapp bemessen sind, um sich darüber eine vernünftige Meinung zu bilden. Das beklagen nicht nur Oppositionsparteien, sondern auch außerparlamentarische Gruppierungen. Klar ist, dass sich die Opposition nicht immer am Konsens beteiligen kann. Das entbindet die Regierenden aber nicht von der Verpflichtung, sich darum zu bemühen. Bruno Kreisky hat dies selbst in Zeiten der absoluten Mehrheit praktiziert, wissend, dass die Herstellung von Konsens eine Bringschuld der Regierenden ist. Welche Auswirkungen es hat, wenn sie nicht eingelöst wird, kann man anhand des irischen Votums gegen den Vertrag von Nizza studieren und möglicherweise bei einer Abstim- mung zum Jahrhundertprojekt EU-Erweiterung in Österreich. (DER STANDARD Print-Ausgabe 12. 6. 2001)