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Sri Lanka: Arbeit statt Almosen
Gute Erfahrungen mit behinderten Arbeitskräften
Colombo - Mit flinken Händen löst Ajith Kannangara
Aufkleber ab und befestigt sie auf braunen, blauen, grünen, roten
und gelben Plastikbehältern.Schnell und konzentriert
Am anderen Ende des Tisches, an dem Kannangara arbeitet, zieht
Padmasiri Wijekoon einzelne Eislöffel aus Bündeln, die ein
Förderband zu seinem Platz transportiert. Wijekoon arbeitet
schnell und konzentriert, während er sich mit seinem Kollegen
unterhält.
Blind
Kannangara und Wijekoon haben eines gemeinsam: sie sind blind.
Beide gehören zu den zehn Prozent der insgesamt einer Million
Behinderter, die in Sri Lanka eine bezahlte Arbeit gefunden haben.
Arbeitsunfähig?
Doch die meisten Menschen, denen eine Behinderung zu schaffen
macht, haben nicht soviel Glück. Sie werden von einer Gesellschaft
an den Rand gedrängt, die sie für arbeitsunfähig hält
Immerhin haben einige Unternehmen in Sri Lanka schon seit den
80er Jahren bewiesen, dass sich Menschen mit Behinderungen als
leistungsfähige Arbeitskräfte bewähren.
Kein Mitleid
Eine dieser Firmen ist 'CEI Plastics'. Sie liegt in
Piliyandala, am Rande der Hauptstadt Colombo, und ist einer von
Sri Lankas größten Lieferanten von Kunststoffartikeln. Mitleid sei
bei der Einstellung Behinderter nicht im Spiel, betont Direktor
Anver Dole. "Wir wählen sie nach ihrer Leistungsfähigkeit aus und
geben ihnen dann eine passende Arbeit. Sie erhalten den gleichen
Lohn wie ihre nicht behinderten Kollegen."
Seine ersten Erfahrungen mit Behinderten hatte Dole beim
internationalen 'Lions Club' und als ehrenamtlicher Englischlehrer
an der Ratmalana-Schule für Hör- und Sehbehinderte gemacht.
Selbständigkeit
Von den rund 350 Menschen, die bei CEI Plastics arbeiten, sind
14 blind oder sehgeschädigt. Fünf haben ein anderes Handicap, wie
Dole es nennt. Unter diesen 19 Behinderten ist nur eine Frau.
Früher waren es mehr. Sie heirateten und kündigten, weil sie sich
selbständig machen wollten.
Früher hatte die Firma 100 große Stücke Seife auf dem freien
Markt eingekauft. Jetzt bezieht sie sie von einer früheren
Arbeiterin. Seit ihrer Heirat stellt sie gemeinsam mit ihrem Mann
die Seife, die CEI Plastics benötigt, bei sich zu Hause her.
Anfängliche Bedenken
"Anfangs hatten wir Bedenken. Wir fürchteten, die Behinderten
würden sich in einem großen, mehrstöckigen Gebäude nicht zurecht
finden. Auch wussten wir nicht, wie sie mit ihren Arbeitskollegen
auskommen würden. Doch unsere Sorgen waren unbegründet", berichtet
Betriebsdirektor Dole.
Nach seinen Erfahrungen konzentrieren sich Behinderte ganz auf
ihre Arbeit und fehlen seltener als ihre Kollegen. Deshalb würden
sie auch mehr leisten. So bringt es der blinde 29-jährige
Kannangara auf 450 Aufkleber pro Stunde, ein nicht behinderter
Arbeiter schafft in dieser Zeit gerade mal 250.
Netzwerk
Sri Lankas Arbeitgeberverband (EFC), dem 450 der größten
Unternehmen des Landes, darunter 23 Großplantagen, mit insgesamt
600.000 Beschäftigten angehören, bemühen sich seit einiger Zeit,
Firmen zu qualifizierten und weniger qualifizierten behinderten
Arbeitskräften zu verhelfen. Der EFC hat zu diesem Zweck ein
eigenes Netzwerk aufgebaut, das Vermittlungshilfe leistet. Es
bewertet Arbeitsplätze nach ihrer Eignung für Behinderte,
überprüft Anstellungsbedingungen und bietet Fortbildungskurse an.
Inzwischen haben Beamte des Sozialministeriums von Sri Lanka
die baldige Vorlage von Gesetzen angekündigt, die unter anderem
gewährleisten sollen, dass Behinderten bei Einstellung und
Bezahlung gleichberechtigt sind und dass öffentliche Gebäude
behindertengerecht ausstaffiert werden.
Quote
Sie verweisen auf seit 1988 bestehende Vorschriften, denen
zufolge drei Prozent aller Jobs im Staatsdienst Behinderten
vorbehalten werden müssen. Doch die wenigsten Behörden halten sich
daran.
In der Privatwirtschaft, dem Motor des Wirtschaftswachstums,
brauche man jede fähige Arbeitskraft, betont der Generaldirektor
des Arbeitgeberverbandes, Gotabaya Dasanayaka.
Es sei bedauerlich, dass sich die Gesellschaft ein völlig
falsches Bild von Behinderten mache, meint der
Menschenrechtsexperte G. Wanniarachchi. Sie denke dabei
vornehmlich an verkrüppelte Menschen und an bettlägerige Kranke in
einer Anstalt. "Das trifft nur auf knapp zwei Prozent zu. "Eine
körperliche oder geistige Beeinträchtigung bedeutet ja nicht, dass
die Betroffenen unfähig sind, etwas zu tun."
Da Behinderte im Alltag ständig mit Hindernissen konfrontiert
sind, sind sie es gewohnt, Hürden zu überwinden. So legt der 30-
jährige blinde Wijekoon, der bei CEI Plastics arbeitet, täglich
zunächst mit Hilfe seines Blindenstocks die eineinhalb Kilometer
lange Strecke bis zur Bushaltestelle zurück. Bevor er seinen
Arbeitsplatz erreicht, muss er noch einmal umsteigen.
Sein Kollege Kannangara hat erst vor kurzem den letzten Rest
seiner Sehfähigkeit eingebüßt. Dennoch will er seine
Arbeitsleistung weiter steigern. "Wir wollen kein Mitlied sondern
Hilfe, um unsere Fähigkeiten so gut es geht entwickeln zu können",
betont er.
Workshop
Auf einem vom EFC organisierten Workshop berichtete Susan Scott-
Parker, Geschäftsführerin der britischen Behindertenorganisation
'Forum on Disability' von ihren Erfahrungen. Als 16-jährige
Schwimmlehrerin hatte sie in Kanada mit Behinderten gearbeitet.
"Am Beckenrand sahen sie so aus, als könnten sie wirklich nichts
ohne Hilfe tun. Doch sobald sie im Wasser waren, fühlten sie sich
nicht länger behindert und gewannen an Selbstvertrauen."
Susan Scott-Parker hatte 1986 in der Europäischen Union die
erste Organisation gegründet, die sich dafür einsetzt, dass
Behinderte Arbeit finden und auch als Kunden respektiert werden.
"Unsere Vorurteile sind schuld daran, dass wir den Behinderten
nichts zutrauen", betonte sie kürzlich auf einem Workshop in
Colombo. "Wir sollten uns aber vor Augen halten, dass sie sich in
einer feindlichen Umgebung behauptet haben und durchaus fähig
sind, allein zurecht zu kommen." (Feizal Samath/IPS)