Freiburg - Mit einem gemeinsamen Vorstoß zur Europapolitik wollen Deutschland und Frankreich ihrer Vorreiterrolle bei der Einigung des Kontinents wieder gerecht werden. Beim 77. Gipfeltreffen in Freiburg verständigten sich der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und der französische Staatspräsident Jacques Chirac am Dienstag nach Angaben aus Delegationskreisen darauf, beim EU-Gipfel Ende des Jahres im belgischen Laeken den Partnern einen Vorschlag über das weitere Vorgehen bis zur nächsten Regierungskonferenz 2004 zu machen. "Motorkraft des deutsch-französischen Verhältnisses" "Die Motorkraft des deutsch-französischen Verhältnisses soll genutzt werden", hieß es aus deutschen Delegationskreisen. Bis 2004 soll eine breite Debatte über die Zukunft des erweiterten Europas geführt werden. Auch in der Sache gebe es viele Gemeinsamkeiten zwischen Berlin und Paris, etwa bei der Außen- und Sicherheitspolitik oder einer besseren Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik im Euroraum. Dass die Vorstellungen in beiden Ländern über die endgültige Form der EU auseinander gingen, sei nicht verwunderlich. Die Debatte stehe ja noch am Anfang. Nach dem Nein der Iren zum Nizza-Vertrag wollen Deutschland und Frankreich zudem Sorgen der Beitrittskandidaten über eine Verzögerung der EU-Erweiterung zerstreuen. In Freiburg sollte eine Erklärung verabschiedet werden, die die Unumkehrbarkeit des Erweiterungsprozesses betont. Eine zeitliche Verzögerung oder Neuverhandlungen über den Vertrag würden nicht erwartet. Ähnlich hatten sich am Vortag bereits die 15 EU-Außenminister geäußert. "Botschaft des Vertrauens" Deutschland und Frankreich wollten vor dem EU-Gipfel von Göteborg Ende der Woche eine "Botschaft des Vertrauens" an die Beitrittskandidaten aussenden, dass die Europäische Union die Schwierigkeiten meisten werde, betonten französische Kreise. Im Blick auf die Gespräche der Europäer mit US-Präsident George W. Bush in dieser Woche machten Schröder, Chirac und der französische Premierminister Lionel Jospin deutlich, dass sie auch bei der Einhaltung des Kyoto-Protokolls zum internationalen Klimaschutz hart bleiben wollen. Bei den klaren Festlegungen dürfe es keine Abstriche geben. Umweltverbände in Deutschland haben an die EU-Chefs appelliert, an den international vereinbarten Klimaschutz-Zielen festzuhalten. Die EU müsse hart bleiben und auf eine Ratifizierung des Kyoto-Protokolls dringen, forderten der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland und der Deutsche Naturschutzring am Dienstag in Berlin. Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit Weiter verständigten sich Paris und Berlin auf Schritte im Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Diese Auseinandersetzung müsse offensiver geführt und rechtsextremistische Straftaten konsequenter und zeitnaher verfolgt werden. Strafvorschriften sollten EU-weit gelten. Zudem soll die Verbreitung rassistischer Propaganda im Internet stärker unterbunden werden. Mit einem gemeinsamen Vorstoß soll weiter erreicht werden, dass Verbreitung von Hass gegen Bevölkerungsgruppen generell unter Strafe gestellt wird. Chirac warb bei Schröder zudem für eine EU-Initiative zur Nichtweiterverbreitung von Waffen. Der französische Staatspräsident möchte seinen Vorschlag auf dem EU-Gipfel in Göteborg von den 15 Mitgliedsstaaten beschließen lassen. Nach jahrelangem Gezerre um das deutsch-französische Rüstungsprojekt eines Transportflugzeugs könnte es nun rasch eine Einigung geben. Die Verpflichtung zum Kauf des Airbus A400M soll möglichst auf dem nächsten Sonntag beginnenden Luftfahrtsalon in Le Bourget bei Paris bekräftigt werden. Es gebe einen "gewissen Optimismus", dass dies möglich sei, hieß es aus Delegationskreisen. Schröder betonte aber nach französischen Angaben, dass die Preisverhandlungen mit der Industrie noch nicht abgeschlossen seien. (APA/AP/dpa)