Inland
Akademische Tilgung der Erinnerung - von Heribert Schiedel
Burgers Rundumschlag gegen die Erinnerung an die Shoah ist als
Rationalisierung der Schuldabwehr inhaltlich nicht kritisierbar. Mit
Adorno ist hier vielmehr von “verstockte(r) Gesinnung, derer, die nichts
davon hören wollen”, zu sprechen.
Daher nur drei Anmerkungen: Wie
stets im Abwehrdiskurs wird Auschwitz vom singulären
“Zivilisationsbruch” (Dan Diner) zu einem “Großverbrechen” (Burger)
unter vielen. Auch setzt sich Burger über die im Gefolge von Freuds
“Massenpsychologie und Ich-Analyse” verfaßten Arbeiten über das
regressive Moment pathologischer Gruppenbildung souverän hinweg.
Gerade die NS-Volksgemeinschaft ist ein eindrucksvoller Beleg für die
von Burger geleugnete Möglichkeit der Ausbildung eines kollektiven
Über-Ichs in der Form des “Führers”. Und nur in diesem Zusammenhang
macht die von Burger kurzerhand als falsch abgetane Rede von der
Verdrängung Sinn: Es waren ja gerade nicht die Verbrechen, sondern die
traumatischen Erfahrungen des Verlustes des “Führers” und des
narzißtischen Größenselbst des “Ariers”, die verdrängt wurden. Da nicht
davon auszugehen ist, dass Burger das diesbezügliche Standardwerk
von Alexander und Margarete Mitscherlich (“Die Unfähigkeit zu
Trauern”, 1967) nicht kennt, muß es sich hierbei um eine (bewußte?)
Verdrehung handeln. Aber die Wahrheit hat stets einen schweren Stand,
wenn die Erinnerung an Auschwitz getilgt werden soll.
Ähnlich verhält es sich mit der “Kollektivschuld”, die Burger als Popanz aufbaut. Die
Rede von der “Kollektivschuld” ist integraler Bestandteil des
Abwehrdiskurses und erfüllt nur in diesem seine Funktion: Von der
Unmöglichkeit einer “Kollektivschuld” wird rasch auf die einer
individuellen Schuld und Verantwortung geschlossen. Weiß Burger, in
welche Gesellschaft er sich mit seinem Postulat des Vergessens begibt?
“Der Gestus, es solle alles vergeben und vergessen sein, der demjenigen
anstünde, dem Unrecht widerfuhr, wird von den Parteigängern derer
praktiziert, die es begingen.” (Adorno) Aber vielleicht muß der Begriff
Wendephilosoph in Zukunft ja in einer umfangreicheren Bedeutung
verstanden werden...