Wien - Österreichs Kreditinstitute haben sich in den vergangenen Jahren massiv in Mittelosteuropa engagiert und halten in den dortigen Ländern Marktanteile zwischen fünf und 21 Prozent (siehe Grafik) . Im Dezember 2000 betrug die Bilanzsumme der Töchter österreichischer Banken 30 Milliarden EURO (413 Mrd. S), das sind fünf Prozent der addierten Bilanzsumme der heimischen Kreditinstitute. Dies geht aus dem ersten Finanzmarktstabilitätsbericht der Nationalbank hervor, der am Dienstag publiziert wurde. Vizegouverneurin Gertrude Tumpel-Gugerell sagte dem S TANDARD , die Kreditinstitute erzielten in diesen Ländern sehr hohe Erträge, gingen dabei aber natürlich höhere Risiken ein. "Es soll aber nicht in dem Sinn verstanden werden, dass die Notenbank das Risiko bedenklich findet. Auch Österreich muss sein Finanzsystem internationalisieren. Die Nachbarländer sind als Ziel geeignet, da unsere Banken über eine besondere Marktkenntnis verfügen." Starke Zunahme an Fremdwährungskrediten Im Bericht wird auch auf die starke Zunahme der Fremdwährungskredite an Unternehmen und private Haushalte hingewiesen. Drei Viertel der Nettozunahme der Forderungen der heimischen Banken zischen Ende 1995 und Ende 2000 erfolgten in fremder Währung. Tumpel-Gugerell findet diese Entwicklung vor allem für die privaten Haushalte bedenklich, die alle Risiken (Wechselkurs- und Zinsänderungen) zu tragen haben, während die Banken zusätzliche Erträge erzielen.

Besondere Bedeutung messe die Nationalbank, so Tumpel-Gugerell, der Entwicklung des Kapitalmarkts bei. "Ohne Belebung des Kapitalmarkts bleiben langfristig Wachstumspotenziale zum Schaden der Volkswirtschaft ungenutzt." Den Finanzplatz Wien sieht die Vizegouverneurin nicht als Regionalbörse für Mittel- und Osteuropa. "Wien kann nur einen Stellenwert in der internationalen Vernetzung des Finanzsystems spielen und Know-how im Investmentbanking aufbauen." Ein Ansatzpunkt für eine verstärkte Inanspruchnahme des Kapitalmarktes wäre nach Ansicht von Tumpel-Gugerell die forcierte Entwicklung von Unternehmensanleihen. Die zunehmende Bereitschaft der Anleger, vom Sparbuch auf Investmentfonds umzusteigen, sollten sich heimische Gesellschaften durch eine Vermehrung und Bündelung inländischer Titel zunutze machen. (ha, DER STANDARD, Printausgabe 13.6.2001)