"Please kill me", so schimpfte sich die von Legs Mcneil und Gillian Mccain vor vier Jahren erschienene Anthologie, die für sich in Anspruch nahm, den Nachgeborenen die einzig wahre "Uncensored oral history of Punk" zu erzählen. Die Drohung wurde wahr gemacht, bis heute gilt "Please kill me ", als Standardwerk zur Geschichte einer Bewegung, die von der New Yorker Lower East Side aus die Welt eroberte. Mittlerweile ist Joey Ramone tot, Sid Vicious kann sich ohnehin schon lange nicht mehr wehren und Iggy Pop schiebt an der Avenue B eine ruhige Kugel. Punk lebt, Punk ist tot, New Punk ist schon lange in und jetzt, endgültig, kommt es /ist es wieder da/war es nie weg – das Punk-Revival. Blödsinn? Der "Rabe", das vom Zeichner Tex Rubinowitz und dem Schriftsteller/Musiker/Genius Max Goldt herausgegebene Literaturmagazin, schreibt sich "Der Punk+Bärte" aufs rot-gelbe Cover, innen sezieren die Autoren ihre kindlichen Rezeptionen der "letzten echten Rebellion". Spiegel.de brilliert mit einem Interview mit der Hamburger Filmemacherin Vera Vogt, die in ihrer Dokumentation "So jung kommen wir nicht mehr zusammen" die unterschiedlichen Lebenswege ehemaliger Punks zeigt - einer der Protagonisten heisst Jan Müller und spielt heute Bass bei Tocotronic. Die Toten Hosen steigen mit einer Million Mark (511.292 Euro/7,04 Mill. S) für zwei Spieljahre bei Fortuna Düsseldorf ein und kurbeln damit ihre Plattenverkäufe an. Was bleibt, sind Fragen, zuallererst – wie bei jedem Revival – die nach der Sinnhaftigkeit: Kommt es darauf an, wie "es" wirklich war, damals, in New York 76’, als die Ramones den "Blitzkrieg Bop" ausriefen? Macht es Sinn, hundert Schilling fürs Kino zu bezahlen, um sich Julien Temples "The Filth and the fury", die Fortsetzung der Sex Pistols–Saga reinzuziehen? Ist es wirklich wichtig, welchen Blick Richard Hells "Blank Generation" auf heutige Verhältnisse hat? Muss man Julie Burchill lesen, um sein Bewusstsein zu erweitern? Die einzig gültige Antwort lautet: Ja, sicher. Punk ist Angst und Zorn und Angst und Zorn sind in der Morgendämmerung des 21. Jahrhunderts cool, nötig, angebracht. (Nächstes Mal: Dotcom-Desaster)