Auch eine Woche nach dem Bekanntwerden des ersten Falles von BSE in Tschechien ist das wahre Ausmaß immer noch nicht erfasst. Der Direktor der obersten Veterinärbehörde des Landes, Josef Holejsovsky, versucht seitdem seine verunsicherten Landsleute zu beruhigen. Seinen Worten zufolge drohe dem Land keine Krise in ähnlichem Ausmaß wie in Großbritannien oder Frankreich, denn dafür wurde in Tschechien weitaus früher mit Kontrollen auf BSE begonnen. Zudem haben tschechische Rinderzüchter, so Holejsovsky, bisher nur in den wenigsten Fällen Tiermehl im Futter verabreicht. Er wollte jedoch nicht ausschließen, dass die Hersteller von dieser Nahrung schlecht verarbeitete Reste von Tierfett hinzufügten. In der landwirtschaftlichen Genossenschaft unweit des mährischen Jihlava (Iglau), wo sich am vergangenen Freitag der Anfangsverdacht auf BSE bestätigte, wird es in den nächsten Tagen zur Notschlachtung von rund 140 Milchkühen kommen, was etwa einem Viertel des gesamten Rinderbestandes entspricht. Es soll sich vor allem um ältere Rinder handeln, die ähnlich wie die an BSE erkrankte Kuh, fünf oder sechs Jahre alt sind. Die Angestellten fürchten nun, dass es nicht bei dieser einen Notschlachtung bleiben wird. Die Nachbarländer Tschechiens haben mittlerweile alle Importe von Rindfleisch verboten. Lediglich Deutschland wartete noch auf das Ergebnis eines letzten Tests, der in einem Labor in Tübingen durchgeführt wurde. Am Donnerstag bestätigte dieser dritte Test die Ausbreitung der Rinderseuche BSE nach Osteuropa. Das tschechische Rindfleich galt noch vor einigen Wochen - auf dem Höhepunkt der BSE-Krise in Westeuropa - als einwandfrei. Die Bauern konnten sich damals über eine steigende Nachfrage vor allem aus Deutschland oder Italien freuen. Jetzt reagierten die Kunden auf den ersten tschechischen BSE-Fall umgehend: Die Fleischhändler beklagen einen massiven Umsatzrückgang. Besonders stark fällt er bei den großen Supermarktketten aus, die in der Vergangenheit stets damit warben, dass sie ausschließlich gesundes Rindfleisch tschechischer Herkunft im Angebot hatten. (Robert Schuster,DER STANDARD, Print-Ausgabe 15.Juni 2001)