Kolumbien
Kolumbien: Binnenflüchtlinge weitgehend alleingelassen
55.580 Menschen im ersten Quartal 2001 vertrieben
Bogota - In Kolumbien nimmt das Problem der
gewaltsamen Vertreibung verheerende Ausmaße an. 55.580 Menschen
sind bereits im ersten Quartal 2001 geflüchtet. Dennoch erhalten
sie bei weitem nicht die internationale Beachtung wie ihre
Leidensgenossen im Kosovo, in Südafrika oder Mosambik.
"Es ist eine nationale Schande", sagt die Soziologin Maria
Teresa Uribe. Sie leitet das Institut für politische Studien der
Universität von Antioquia, das eine Untersuchung zum Thema
erstellt hat. Obwohl der Bürgerkrieg in dem südamerikanischen Land
bereits zwei Millionen Menschen entwurzelt hat, "behandelt die
Regierung die Betroffenen, als seien sie Opfer einer
Naturkatastrophe".
Einer Studie der katholischen Kirche zufolge hat der
Bürgerkrieg ein Areal von 183.805 Hektar in menschenleere Ödnis
verwandelt. Da in den einzelnen Gebieten die Paramilizen stärker
vertreten sind als die Rebellen, werden sie für den größten Teil
der Vertreibungen verantwortlich gemacht.
Eine Vernachlässigung der Vertriebenen sieht auch ein Vertreter
der Beobachtungsstelle für Zwangsumsiedelungen in Cartagena, der
aus Sicherheitsgründen anonym bleiben will. In vielen Fällen
kümmerten sich die Behörden nicht um die Vertriebenen, "weil dies
dem Image des Landes abträglich ist".
Die meisten Vertreibungen werden in Antioquia registriert,
einem Bezirk im Nordwesten des Landes. Das Institut für politische
Studien hat den Bezirk als das Gebiet identifiziert, in dem die
meisten Landbewohner zur Flucht gezwungen wurden. Kleinbauern
zieht es vor allem nach Bogota oder Medellin, der Hauptstadt
Antioquias und eines der größten städtischen Ballungsgebiete
Kolumbiens.
Anspruch auf Entschädigung
Analysten zufolge überlässt die Regierung das
Flüchtlingsproblem weitgehend den Kirchen und internationalen
Hilfsorganisationen. Dabei schreibt das Gesetz 387 aus dem Jahre
1977 fest, dass die Opfer einen Anspruch auf Entschädigung für die
wirtschaftlichen und sozialen Einbußen und psychologischen
Beistand haben. Außerdem muss der Staat für die Sicherheit der
Menschen garantieren.
Der akademischen Studie zufolge fehlen es an Maßnahmen, die
eine gesellschaftliche Integration der Vertriebenen zum Ziel
haben. Es sei falsch, die betroffenen Menschen zu behandeln, als
seien sie behindert oder unfähig.
Uribe zufolge kommt es häufig vor, dass immer wieder dieselben
Personen und Familien zur Aufgabe ihres Wohnaufenthalts gezwungen
werden. Bis zu drei oder vier Mal müssten sie den Ort verlassen,
an dem sie sich niedergelassen hätten. Dennoch wird ihnen längst
nicht die gleiche internationale Aufmerksamkeit zuteil, wie den
Menschen des Kosovo, Südafrikas oder Mosambiks.
Aus Berichten von Menschenrechtsorganisationen geht hervor,
dass seit 1985 bis heute an die zwei Millionen Menschen vor den
Auswüchsen der Gewalt in Kolumbien geflohen sind; das sind etwa
fünf Prozent der 41,6 Millionen Einwohner.
Das nationale Problem ist bereits an die Landesgrenzen
gestoßen, im Nordwesten in den Gebieten von Uraba in Richtung
Panama, in den nord- beziehungsweise südöstlichen Gebieten von
Arauca und Vichada in Richtung Venezuela und in den südlichen
Regionen Putumayo, Caqueta und Guaviare im Süden Richtung Ecuador
und Peru.
Nichtregierungsorganisationen warnen seit langem vor einer
Zunahme der Zwangsumsiedlungen in den Grenzgebieten im Zuge des
kolumbianischen Friedens- und Entwicklungsplans. Der so genannte
'Plan Colombia', den die Regierung von Staatspräsident Pastrana
mit besonderer Unterstützung der USA auf den Weg gebracht hat,
sieht die Bekämpfung des Drogenhandels und die Durchführung
alternativer Entwicklungsprojekte vor. (IPS)