Wien - "Unhaltbare Missstände" bei der Behandlung von Mitarbeitern und der Verwendung budgetärer Mittel werfen der SPÖ-EU-Abgeordnete Herbert Bösch und der Vorsitzende der Gewerkschaft für Privatangestellten (GPA), Hans Sallmutter, der EU-Kommissionsvertretung in Wien vor. Neben "schweren arbeitsrechtlichen Problemen" gebe es auch eine "haushaltsrechtliche Dimension", erklärten Sallmutter und Bösch am Freitag im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien. Es seien Pflichten des Arbeitgebers grob vernachlässigt worden, die Leitung übe massiven Druck auf Mitarbeiter aus, Personen wären als "U-Boote" beschäftigt worden und es hätte auch "fingierte Rechnungen" gegeben, so die Vorwürfe. Man müsse zwischen zwei Gruppen von Beschäftigten unterscheiden, zwischen EU-Beamten und sogenannten lokalen Beschäftigten, die "normale Arbeitsverhältnisse" haben, erklärte Sallmutter. Gegen die Dienstverträge der lokalen Beschäftigten sei in der Wiener EU-Kommissionsvertretung "permanent verstoßen" worden, betonte der GPA-Chef. Als Beispiel nannte er die Pensions-Zusatzversicherungen, die es bis zum heutigen Tag nicht gäbe, obwohl sie den Arbeitnehmern vertraglich zugesichert worden seien. 1999 hätten sich die Betroffenen an den Europäischen Bürgerbeauftragten (Jacob Söderman) gewandt, der ihnen Recht gegeben und auch die Kommission zum Handeln aufgefordert hätte. Passiert sei aber nichts, so Sallmutter. Steuernachzahlungen in Millionenhöhe wegen falscher Versprechungen möglich Zudem sei den lokalen Beschäftigten zugesichert worden, dass sie ihr Einkommen "Brutto für Netto" erhalten. Jetzt würden ihnen aber Steuernachzahlungen in Millionenhöhe drohen. "Eine grobe Vernachlässigung der Pflichten des Arbeitgebers", so der GPA-Chef. Die Mitarbeiter hätten 1998 auch einen Betriebsrat gegründet, der aber bis heute von der Leitung der Wiener EU-Vertretung nicht anerkannt worden sei. Hingegen übe seit 1998 der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, Wolfgang Streitenberger, "massiven Druck auf die Belegschaftsvertretung" aus. Bereits 1999 hätte er, Sallmutter, dem EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi einen Brief geschrieben, in dem er auf die Unregelmäßigkeiten in der Wiener Vertretung aufmerksam gemacht hätte. Das Büro Prodis habe geantwortet, dass sich die Kommission bemühe, "im Geiste des Dialogs" die Probleme zu lösen. Tatsächlich sei der Konflikt aber weiter eskaliert, so Sallmutter. Vor drei Wochen sei eine Personalvertreterin nach ihrem Urlaub vom Dienst suspendiert und zudem sei ihr mit Entlassung gedroht worden. Sallmutter forderte die Kommission auf, die Suspendierung der Personalvertreterin "sofort zurückzunehmen". Hinzu komme das Problem der "U-Boot"-Praxis, der Beschäftigung von Personen, die auf Honorarbasis arbeiten und nicht in Brüssel als Dienstnehmer aufschienen. Hier habe eine Beschäftigte auf Anstellung geklagt. Am nächsten Dienstag werde die Angelegenheit vom Arbeits- und Sozialgericht behandelt, berichtete Sallmutter. Bosch: Scheinverträge verstoßen gegen EU-Vorschriften Jahrelang hätte es diese "Scheinverträge" für Beschäftigte gegeben, ein "Verstoß gegen einschlägige EU-Vorschriften", so der SPÖ-EU-Abgeordnete Bösch. Mit solchen Werkverträgen dürfte ein Beschäftigter pro Jahr maximal 13.200 Euro (181.636 S) verdienen. Oft sei dies aber um ein Vielfaches überschritten worden. Personen mit Werkverträgen dürften eigentlich keinen Arbeitsplatz in der Vertretung haben, sie seien aber auch auf den Telefonlisten aufgeschienen. So hätte man den betroffen Personen anlässlich von Besuchen aus Brüssel gesagt, dass sie an diesem Tag zu Hause bleiben sollten. Zudem seien Honorarnoten für Tätigkeiten unterschrieben worden, die nie verrichtet worden seien und man habe "fingierte Rechnungen" ausgestellt, so ein weiter Vorwurf von Bösch. Es gäbe dabei Parallelen mit dem "Fall Stockholm", wo auch zunächst der Vorwurf der fingierten Rechnungen erhoben wurde und später "viel größere Unregelmäßigkeiten ans Tageslicht gefördert" worden seien. In der EU-Kommissionsvertretung in Stockholm war es zur Veruntreuung von einigen Tausend Euro gekommen. Auch in Wien könnte der Fall noch größere Dimensionen annehmen, so Bösch: "Wenn sich jemand in diese Kriminalität begibt, dann kommt es darauf an, wieweit die Fantasie reicht". Für ihn habe sich jedenfalls die Führung der Wiener Vertretung wegen all dieser Sachen "disqualifiziert". Und dass die EU-Kommission nicht reagiert habe, zeige, dass sie "manche Lektion aus der Vergangenheit nicht gelernt" habe. In Wien "muss alles erforscht und erkundet werden", so Bösch. (APA)