Dabei hat der Philosoph Rudolf Burger nicht vergessen, die Autorität Eugen Kogon über das Gerede der Kollektivschuld ausführlich zu zitieren, um dem Leser das Gegenteil von dem zu suggerieren, was die Alliierten tatsächlich in Nürnberg getan haben: Sie haben die Kriegsverbrecher verurteilt – nach dem Prinzip der individuellen Verantwortung. Es waren aber die ehemaligen Insassen der alliierten Internierungslager, die den Kollektivschuld-Marsch getrommelt haben, um sich im Lärm über die angebliche jüdische Pauschalverurteilung persönlich reinzuwaschen. Damals sinniert unser österreichischer Nazi Bruno Brehm: Es sei gut, dass auf den hemmungslosen Hass der Juden nun langsam geantwortet werde. Dem Antisemiten sitzt der religiös getönte Reim aus der Vorkriegszeit noch gut im Ohr: "Herr, o befrei uns vom grimmigen Hasse / Dieser entarteten jüdischen Rasse." Da dreht es sich immerfort um die Rechtfertigung der Verfolgung und des Mordes an einem Kollektiv, schlussendlich um das zweitausendjährige christliche Plädoyer für die Kollektivschuld der Juden. So hat beispielsweise der Neonazi Manfred Roeder den "exponierten Deutschenhasser" Simon Wiesenthal beschuldigt, er würde mit "Judasgeld" Lügner und Denunzianten bezahlen, um ehemalige deutsche Soldaten wegen angeblicher Kriegsverbrechen verfolgen zu können. Der gleiche braune Hirnschas stinkt hinter der treudeutschen Mär vom Präventivkrieg: Der deutsche Soldat hat immer nur zurückgeschossen. Nicht zurückgeschossen hat jedenfalls das österreichische Bundesheer im März 1938. Auch die Folgen sind nicht vergessen! (Dr. Gert Kerschbaumer, Historiker, 5026 Salzburg ) Burger-Bashing scheint 'in' zu sein. Aber: Prof. Burger ist einer der klügsten Köpfe dieses an klugen Köpfen nicht übermäßig gesegneten Landes und hat seinen Kritikern gegenüber den exorbitanten Vorteil, sich tatsächlich mit den Themen, von denen er spricht, tiefschürfend und nicht nur oberflächlich zu befassen. Wer ihn nur als kalten Zyniker darstellt, hat nichts begriffen, sondern ist schlicht selbstgerecht und all denen auf den Leim gekrochen, die hie GUT, da SCHLECHT schreien (aus dieser Gruppe rekrutierten sich nebenbei gesagt zu allen Zeiten die meisten Fanatiker). Mag. Robert Paul, via Internet Burger versus Burger: "Zu verdrängen hatte man in Deutschland und Österreich nach 1945 Anlaß und Material genug, aber Möglichkeiten hatte man hierzulande mehr - der sehr autochthone klerikale Austrofaschismus war schließlich selbst ein Opfer des Nationalsozialismus, des großen, fremden Faschismus gewissermaßen, der den eigenen "kleinen" zudeckte und vergessen machte. Aus Gründen der Staatsräson mag die oft penetrante ideologische Strategie der systematischen Selbstinfantilisierung (...) ihre Meriten gehabt haben, für die Herstellung von kritischem Geschichtsbewußtsein (...) hatte sie verheerende Folgen." Rudolf Burger 1980, in: Jahrbuch für Zeitgeschichte 1980/81, Wien, S.11 Dr. Bertrand Perz Institut für Zeitgeschichte der Uni Wien, 1090 Wien "So erbt sich das Unheil fort, als Kleingeld der Politik und als schamloses Geschäft", schreibt Burger über die Ausbeutung der Toten durch vorgebliche Vergangenheitsbewältiger. Er verteidigt damit nicht die Nazis, sondern macht nur deutlich, wie missbräuchlich das zum Religionsersatz gewordene "Gedenken" ist, ja, wie apologetisch gegenüber aktuellen Formen menschenverachtender Politik. Peter Panther 1080 Wien Akademische Tilgung der Erinnerung Burgers Rundumschlag gegen die Erinnerung an die Shoah ist als Rationalisierung der Schuldabwehr inhaltlich nicht kritisierbar. Mit Adorno ist hier vielmehr von "verstockte(r) Gesinnung, derer, die nichts davon hören wollen", zu sprechen. Daher nur drei Anmerkungen: Wie stets im Abwehrdiskurs wird Auschwitz vom singulären "Zivilisationsbruch" (Dan Diner) zu einem "Großverbrechen" (Burger) unter vielen. Auch setzt sich Burger über die im Gefolge von Freuds "Massenpsychologie und Ich- Analyse" verfaßten Arbeiten über das regressive Moment pathologischer Gruppenbildung souverän hinweg. Gerade die NS- Volksgemeinschaft ist ein eindrucksvoller Beleg für die von Burger geleugnete Möglichkeit der Ausbildung eines kollektiven Über-Ichs in der Form des "Führers". Und nur in diesem Zusammenhang macht die von Burger kurzerhand als falsch abgetane Rede von der Verdrängung Sinn: Es waren ja gerade nicht die Verbrechen, sondern die traumatischen Erfahrungen des Verlustes des "Führers" und des narzißtischen Größenselbst des "Ariers", die verdrängt wurden. Da nicht davon auszugehen ist, dass Burger das diesbezügliche Standardwerk von Alexander und Margarete Mitscherlich ("Die Unfähigkeit zu Trauern", 1967) nicht kennt, muß es sich hierbei um eine (bewußte?) Verdrehung handeln. Aber die Wahrheit hat stets einen schweren Stand, wenn die Erinnerung an Auschwitz getilgt werden soll. Ähnlich verhält es sich mit der "Kollektivschuld", die Burger als Popanz aufbaut. Die Rede von der "Kollektivschuld" ist integraler Bestandteil des Abwehrdiskurses und erfüllt nur in diesem seine Funktion: Von der Unmöglichkeit einer "Kollektivschuld" wird rasch auf die einer individuellen Schuld und Verantwortung geschlossen. Weiß Burger, in welche Gesellschaft er sich mit seinem Postulat des Vergessens begibt? "Der Gestus, es solle alles vergeben und vergessen sein, der demjenigen anstünde, dem Unrecht widerfuhr, wird von den Parteigängern derer praktiziert, die es begingen." (Adorno) Aber vielleicht muß der Begriff Wendephilosoph in Zukunft ja in einer umfangreicheren Bedeutung verstanden werden... Heribert Schiedel, Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, 1010 Wien "Real ist die Nazizeit so versunken wie Karthago..." Burger kann im "Spectrum" der Presse (Ariel Muzicant: Österreich ist meine Heimat - trotz Haider)nachlesen, wie präsent die Nazizeit und ihre Folgen im Leben vieler Österreicher ist. Häufig schätzte ich Burgers erhellende Beiträge, dieser ist schlichtweg überflüssig! Hubert Hoeller, 1140 Wien Burgers weitschweifig ausgeführte Konstruktion über das verordnete Vergessen steht auf tönernen Füßen. Bei genauerem Hinsehen gibt die Geschichte genügend Beispiele,daß der Versuch Frieden durch erzwungene Schlußstriche herzustellen,niemals dauerhaft und tiefgreifend gewirkt hat.Die Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien sind nur der letzte eindeutige Beweis dafür. Auch die empörende Konklusio Burgers kann ich nicht unwidersprochen lassen. "Die Grenze zwischen Warnung und Werbung ist hauchdünn" schreibt er. Aber die Warnung kann erst ihre abschreckende Wirkung entfalten,wenn sie aus Überzeugung geäußert wird. Und von Werbung kann keine Rede mehr sein, wenn ehemalige KZ-Häftlinge von den Schrecken ihres Lebens und von den Leiden derer,die nicht überlebt haben, berichten. Ich lasse mir das ehrliche Entsetzten,die Trauer und die daraus erwachsende Überzeugung, daß ich in meinem Leben und Tun gegen derartige Entwicklungen auftreten muss,von Rudolf Burger nicht absprechen. Carla Müller, 1070 Wien Der Essay des Philosophen bietet für Attacken von Seiten der Kritiker Rudolf Burgers eine Reihe von Vorteilen, darunter jene, dass er provokant gedacht, polemisch formuliert und (bei klarer Argumentation) mit unruhiger Feder geschrieben ist. Dieselben Kritiker haben allerdings auch zumindest mit einem Nachteil zu rechnen - nämlich dem, dass die zentrale POLITISCHE Aussage, wenn auch nicht notwendig jede ihrer kulturellen implikationen, schlüssig und richtig ist. (Einen ersten eindruck von der argumentativen Schwäche denkbarer Gegenpositionen vermitteln Dirk Rupnows hoffentlich beabsichtigte Verworrenheit und Hans Rauschers nun schon abgenutzter Schmäh, nach dem Reputationsbein des Gegners zu zielen, statt wenigstens zu versuchen, den Argumentball zu spielen ...) Helmut Forstner, 1090 Wien