Hamburg/Kiel - Die wirtschaftlichen Aussichten in Deutschland trüben sich weiter ein. Die beiden wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute in Hamburg und Kiel veröffentlichten am Montag neue Prognosen, nach denen das Wachstum heuer deutlich unter zwei Prozent fällt. Während das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA) noch 1,7 Prozent Wachstum erwartet, senkte das Institut für Weltwirtschaft (IfW) seine Vorhersage auf 1,3 Prozent. Noch im April hatten die deutschen Wirtschaftsinstitute in ihrer Gemeinschaftsprognose ein Wachstum von 2,1 Prozent vorausgesagt. Beide Institute gehen jedoch davon aus, dass es sich nur um eine vorübergehende Konjunkturschwäche handelt, die im weiteren Verlauf des Jahres und im nächsten Jahr überwunden werden kann. Die Wirtschaftsleistung (BIP) sei im zweiten Quartal 2001 kaum gewachsen, heißt es sowohl beim HWWA als auch beim IfW. Ursache seien rückläufige Exporte wegen der lahmenden Konjunktur in den USA und eine schwach entwickelte Binnennachfrage. Dämpfer für den Konsum "Die Teuerung bei Energie und Lebensmitteln, der schwache Euro und der Rückgang der Bauinvestitionen haben dämpfend auf den Konsum gewirkt", sagte HWWA-Forscher Eckhardt Wohlers. Die entlastenden Effekte aus der Steuerreform seien so ausgeglichen worden. Der Preisauftrieb, der die Konjunktur heuer bisher beeinträchtigt hat, wird nach Ansicht der Forscher in Kiel und Hamburg nachlassen und so die Wirtschaft stimulieren. "Die privaten Konsumausgaben werden dann beschleunigt ausgeweitet", heißt es beim IfW. Uneins sind sich die Institute über die Entwicklung der Leitzinsen: Während das IfW keine Zinsveränderungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) erwartet, rechnet das HWWA im Sommer mit einem Rückgang um 0,25 Prozent. Rückenwind erhält die deutsche Wirtschaft auch durch die Weltkonjunktur: Nach Ansicht des IfW ist die wirtschaftliche Talsohle in den Industrieländern durchschritten. Sowohl in Euroland wie auch in den Industrieländern insgesamt sei im nächsten Jahr mit 2,5 Prozent Wachstum zu rechnen. Die politischen Ziele der Bundesregierung für den Abbau der Arbeitslosigkeit sind nach Ansicht des HWWA nicht mehr erreichbar. "Im Jahresdurchschnitt werden wir 2002 rund 3,8 Millionen Arbeitslose haben", sagte Wohlers. Das liege klar über der Zielmarke von 3,5 Mio. Er rechne allerdings damit, dass die Regierung im Wahljahr mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und anderen Aktionen die optische Zahl zu drücken versuche. (dpa, DER STANDARD, Printausgabe 19.6.2001)