Frankfurt - Polen muss nach Ansicht des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder noch erhebliche Anstrengungen auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft leisten. Er sagte aber seinem polnischen Amtskollegen Jerzy Buzek am Montag jede Unterstützung zu. Bei einer Diskussion mit polnischen und deutschen Jugendlichen in Frankfurt an der Oder erklärte Schröder, beim EU-Gipfel in Göteborg am vergangenen Wochenende sei nicht beschlossen worden, den Beitrittsprozess zu verzögern, sondern ihn zu beschleunigen. "Wir wollen das Tempo eher verschärfen. Das ist das Ergebnis von Göteborg", sagte Schröder. Gegenüber anderen Anwärtern wie Ungarn und Tschechien war Polen in der letzten Zeit bei der Erfüllung der Aufnahmekriterien zurückgefallen. In Göteborg hatte die EU das Ziel vorgegeben, die am weitesten fortgeschrittenen Beitrittskandidaten an der Wahl zum Europaparlament 2004 als Mitglieder teilnehmen zu lassen. Zudem sollen die Verhandlungen mit den erfolgreichsten Kandidaten bis Ende 2002 abgeschlossen sein. Polen liegt bei den Beitrittsverhandlungen mit 16 abgeschlossenen von insgesamt 31 Vertragskapiteln nur im Mittelfeld der insgesamt zwölf Kandidaten. Spitzenreiter sind Ungarn und Zypern mit jeweils 22 abgeschlossenen Kapiteln. Nur Lettland (15 Kapitel), Bulgarien (zehn) und Rumänien (sechs) haben weniger Kapitel abgeschlossen als Polen. Einen möglichen Termin für den Beitritt Polens wollte Schröder nicht nennen. Polen habe sich selbst das Ziel gesetzt, im Jahr 2004 zur ersten Gruppe der Beitrittsländer zu zählen. "In dem Rahmen, in dem wir können, wollen wir auch hilfreich sein, dass dieses Ziel erreicht wird", sagte der deutsche Kanzler. Schröder verteidigte auch die geplante Übergangsfrist von sieben Jahren für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern nach der Erweiterung der EU. Angesichts einer Arbeitslosigkeit von teilweise mehr als 20 Prozent entlang der Grenze zu Polen sei diese Frist notwendig, um die Akzeptanz für die Erweiterung in der Bevölkerung nicht zu verlieren. Schröder und Buzek waren in der Grenzstadt zu den vierten deutsch-polnischen Regierungskonsultationen zusammengekommen. Daran beteiligt waren auch zahlreiche Minister beider Länder, darunter die Außen-, Verteidigungs- und Innenminister. Mit dem Treffen wurde zugleich der zehnte Jahrestag des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages gewürdigt. Er war am 17. Juni 1991 unterzeichnet worden und am 16. Jänner 1992 in Kraft getreten. Schröder würdigte den Vertrag als Basis für die Zusammenarbeit der beiden Länder. "Wir wollen nicht verdrängen, nicht vergessen und die Zukunft fest ins Auge fassen", sagte er zum deutsch-polnischen Verhältnis bei der Diskussion mit den Jugendlichen. Buzek dankte dem deutschen Kanzler für sein Engagement bei der Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter. Schröder unterstrich, diese politische Entscheidung sei auch eine emotionale Frage gewesen. (APA/dpa)