London/Wien - International fordern nun sogar medizinische Forscher mehr Transparenz über Inhalt, Ziele und Ethik klinischer Experimente. Kritisiert werden Ethikkommissionen, die den korrekten Ablauf von Medikamenten- und Verfahrenstests überwachen sollten. Diese Gremien aus Medizinern, Apothekern, Pflegern, Seelsorgern und Juristen sollten nicht länger hinter verschlossenen Türen über Menschenversuche tagen, so die Forderung. "Die Geheimhaltung", schreibt sogar das British Medical Journal (Vol. 322, S. 1294), "ist selten berechtigt. Sie könnte dazu verwendet werden, Unregelmäßigkeiten bei Prüfung oder Prüfern zu verbergen." Verteidiger dieser Diskretion argumentieren, die Veröffentlichung eines Studiendesigns könnte Konkurrenten auf den Plan rufen. Nachahmung halten die Verfasser bei wissenschaftlichen Experimenten jedoch für ein in der hochspezialisierten Praxis nicht relevantes Szenario. Gegenüber dem Standard führt Richard Ashcroft, ein Autor der Analyse, die Vorteile eines für die Allgemeinheit offeneren Forschungssystems an. Erstens, sagt der Medizinethiker am Londoner Imperial College of Science, Technology and Medicine, würden Patienten dann nur an jenen Tests teilnehmen, die sie für sich selbst als hilfreich einschätzen. Damit trifft Ashcroft den Kern der Frage: das Einverständnis des informierten Patienten. Zwar sind eine Information des Betroffenen und seine Einwilligung der Patienten auch in Österreich obligat. Doch wenn "der Herr Professor" ein angeblich besseres Präparat empfiehlt und indirekt größere Aufmerksamkeit verspricht, "kriegt der die Unterschrift sowieso", erzählt eine erfahrene Krankenschwester. "Ich hatte mich dazu überreden lassen", zitiert denn auch das aktuelle profil eine jener Studienteilnehmerinnen, deren persönliche Daten bis vor kurzem auf den Internetseiten des AKH für jedermann zugänglich waren, (ein inzwischen korrigierter skandalöser Fehler). Zweiter Vorteil von mehr Information: "Schlecht durchdachte oder moralisch zweifelhafte Forschung", ist Ashcroft überzeugt, "würde rascher öffentlich. Patienten würden auch besser über Alternativen informiert - auch über die Finanzierung und die Interessen dahinter." Tödliche Studien "Sie würden auch mehr Wissen haben", führt der Medizinethiker aus, "um an methodischen oder ethischen Debatten über bestimmte Experimente teilzunehmen, über mögliche negative Effekte und ein vorzeitiges Ende einer Studie." Tatsächlich fordern diese Experimente immer wieder Todesopfer. Eine offene Informationspolitik, so Ashcroft, brächte mehr Verantwortlichkeit von Forschern und Pharmamanagern sowie ein "besseres Verständnis für Forschung". (DER STANDARD, Print-Ausgabe 19. 6. 2001)