Der Mann will "Anstand ins politische Leben bringen", binnen 800 Tagen die marode Wirtschaft auf Vordermann bringen und das durchschnittliche bulgarische Monatseinkommen von rund 1700 Schilling verdoppeln. Wie der überragende Sieger der bulgarischen Parlamentswahl, König Simeon II., diese Herkulesaufgabe bewältigen will, hat der äußerlich honorig wirkende Mann bisher leider für sich behalten. Außer populistischen Erklärungen oder nichts sagenden Verlautbarungen ist vom eleganten König nichts bekannt geworden. "Ich sehe alles sehr sachlich" war bisher eine der präziseren Auskünfte des Monarchen, "Glauben Sie mir einfach" fast schon eine programmatische Ansage. Dass die rund acht Millionen Bulgaren diesen (harmlosen) Populisten dennoch gewählt haben, ist eine Folge der Perspektivlosigkeit, die heute im Land grassiert. Ein rigider Sparkurs und völlig verpfuschte Privatisierungen haben die bisher Regierenden um die letzten Sympathien gebracht, den Lebensstandard der Bevölkerung nicht gehoben, dafür aber die Arbeitslosigkeit explodieren lassen. Auch der allgegenwärtigen Korruption konnte nur Hilflosigkeit entgegengehalten werden. Die Bulgaren sehen deshalb im König die letzte Chance auf eine bessere Zukunft. Tatsächlich wird Bulgarien aber vom Weltwährungsfonds und von der EU, der man verzweifelt beizutreten versucht, regiert: Der Westen hält die Zügel in der Hand. Solange der Westen dem bitterarmen Bulgarien keine Perspektiven bietet, werden die Bulgaren wohl weiterhin auf politische Glücksritter setzen. Und solange sie nur Glücksritter vom Schlag des politisch völlig unerfahrenen Königs wählen, ist Bulgarien noch nicht verloren. Ob König Simeon II. nun ein ähnliches Gewand trägt wie der sprichwörtliche Kaiser im Märchen, werden die Bulgaren binnen kürzerer Zeit wohl oder übel selbst herausfinden. (DER STANDARD, Print, 19.6.2001)