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Innsbruck - Die Substanz heißt "Surfactant". Sie ist die Voraussetzung für die Belüftung unserer rund 300 Millionen Lungenbläschen, der Alveolen. Ein Mangel an Surfactant führt zum Atemnotsyndrom bei Neugeborenen. Eine Störung bei der Freisetzung der Substanz ist höchstwahrscheinlich mitverantwortlich für die Ateminsuffizienz bei schweren Lungenerkrankungen wie Lungenentzündung, Sepsis oder Polytrauma. Blick in die Lunge Der genau regulierte Prozess der Freisetzung von Surfactant in der Lunge kann nun unter dem Mikroskop mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung beobachtet werden. Ein Innsbrucker Forscherteam um den Physiologen Paul Dietl hat eine Darstellungsmethode mit Fluoreszenz-Farbstoffen entwickelt, die nun auch genaue Messungen im Detail ermöglicht. Für seine zellphysiologischen Arbeiten an den Lungenbläschen ist Dietl heuer mit dem Novartis-Preis für Medizin 2000 ausgezeichnet worden. Was derzeit an Rattenzellen beobachtet wird, soll nach dem Wunsch der Mediziner bald auch an lebenden menschlichen Lungenzellen durch Gewebeentnahme untersucht werden. "Sie müssen sich Surfactant vorstellen als ein Fettgemisch, ein Lipid, das wie eine Seife in der Lunge wirkt", erklärt Dietl. "Diese Lipide bilden einen Fettfilm an der Innenwand der Lungenbläschen und sorgen so wie die Seife bei einem Wassertropfen für eine Reduktion der Oberflächenspannung." Und erst bei reduzierter Oberflächenspannung kann die Belüftung der Alveolen erfolgen, die Aufnahme von Sauerstoff und der Gasaustausch. Daher der Name: "Surfactant" steht für surfaces activ agent, oberflächenaktives Agens. Je mehr wir uns anstrengen, umso mehr Surfactant wird freigesetzt: bei schwimmenden Ratten etwa das 15fache der Menge im Ruhezustand. Seit fünf Jahren forscht Dietls Team am Innsbrucker Medizinischen Institut für Physiologie und Balneologie in der vom FWF geförderten Arbeitsgruppe "Respiratorische Zellphysiologie" zu den Surfactant-Prozessen, der Exozytose. Voraussetzung für die Beobachtung dieses Prozesses ist die "nicht einfache Isolierung" (Dietl) so genannter alveolärer Typ-zwei-Zellen, jenes Zellentyps, der Surfactant in komprimierter Form enthält. Die Substanz entweicht aus diesen Zellen durch eine komplizierte Membranenverschmelzung, breitet sich im Innern des Lungenbläschens aus und kleidet die Innenwand als Fettfilm aus. Dietl & Co haben nun mit der Isolierung der Typ-zwei-Zellen und durch die Herstellung von eigenen Geräten zur Imitierung der Lungenaktivität bei der Atmung ein Beobachten "in Echtzeit an lebenden Zellen" ermöglicht: "Wir können uns nun präzise anschauen, wie die Exozytose gesteuert wird: ob etwa durch ein Hormon oder direkt durch die Dehnung der Alveolen." Weiterführende, auf die Innsbrucker Ergebnisse aufbauende Pharmaforschung zur Entwicklung von Medikamenten, die die Freisetzung von Surfactant in die Lungenbläschen stimulieren, ist laut Dietl "Zukunftsmelodie". Verabreicht wird Surfactant bisher nur bei Neugeborenen mit schwerer Atemnot. Infektion von Frühchen Etwa die Hälfte der Frühgeborenen, die weniger als 1500 Gramm wiegen, leiden unter dieser Störung. Sie erhalten Surfactant von Schweinen oder Rindern. Diese Behandlung ist aber sehr teuer, zudem können Infektionen durch die Verabreichung von Fremdproteinen nicht ausgeschlossen werden. Sie wird deshalb bei Erwachsenen, bei denen manchmal auch andere Medikamente wirksam sind, nicht routinemäßig angewandt. Besonders erstrebenswert wäre für die Innsbrucker Physiologen die Forschung auch an menschlichen Typ-zwei-Zellen. Dabei wird auch an Gewebeentnahmen von hirntoten Organspendern gedacht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe 19. 6. 2001)