Tirana - Trotz einer deutlichen Aufwärtsentwicklung der albanischen Wirtschaft lebt das Land weiter in großer Armut. Das durchschnittliche Monatseinkommen beträgt rund 30.000 Lek (rund 3.000 S/218 Euro), die Arbeitslosigkeit liegt bei offiziell 20 Prozent. Abhilfe könnten ausländische Investitionen schaffen. Doch dafür fehlen oft grundlegende Voraussetzungen: "Wir brauchen noch zwei bis drei Jahre, bevor wir neue Investitionen entsprechend integrieren können", sagt der albanische Vizeminister Pajtim Bello gegenüber österreichischen Journalisten in Tirana. Die größten Mängel bestehen nach Angaben des für die Privatisierung zuständigen Ministers in den Bereichen Energie, Straßennetz und Wasserversorgung. Bei einer Wiederwahl wollen die Sozialisten die notwendige Infrastruktur schaffen, damit ausländische Investitionen erfolgreich sein können. Das größte Potenzial sieht Bello in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, der Telekommunikation, der Energiewirtschaft und im Tourismus. Politische Stabilität und Rechtssicherheit Der staatliche Anteil an der Wirtschaftsproduktion liegt heute in Albanien unter zehn Prozent. "Unser Ziel ist es, keinen Staatsbesitz mehr in der Wirtschaft zu haben", sagt Bello. Dabei gebe es keine Ausnahmen. Die derzeit noch laufenden Privatisierungen in den Bereichen Telekom, Energie und Wasserkraft sollen in "vier bis fünf Jahren" abgeschlossen sein, betont Bello. Um ausländische Interessenten anzulocken, sind aber oft erst staatliche Investitionen in den meist desolaten Betrieben erforderlich. Für mittlerweile ausreichend gegeben hält Bello die politische Stabilität und Rechtssicherheit in Albanien. Ausländische Investoren seien inländischen vor dem Gesetz völlig gleichgestellt. "Es gibt keine Diskriminierung." Auch Wirtschaftsministerin Ermelinda Meksi unterstreicht die "Fortschritte bei der Stabilisierung" und bei der Annäherung an Europa. "Das ist ein sehr gutes Zeichen für die Zukunft", betont sie. "Wir brauchen mehr Verantwortungsbewusstsein" Wie weit Albanien aber noch von einer normal funktionierenden Marktwirtschaft entfernt ist, schildert der Präsident der Handelskammer, Luan Bregasi, an einem Beispiel: Noch immer nimmt der Staat mehr durch Zölle als durch Steuern ein. Grund ist, dass Betriebe in den ersten beiden Jahren steuerfrei arbeiten müssen. Viele gehen vor Ablauf dieser Frist pleite, viele aber werden auch nur zum Schein geschlossen, um das Zahlen von Steuern zu vermeiden. So findet sich Bregasi in der eigenartigen Lage, dass er die Mitglieder seiner Kammer zur Zahlung von mehr Steuern auffordern muss. "Wir brauchen mehr Verantwortungsbewusstsein und eine Zivilisierung des Geschäftslebens. Es fehlt das Bewusstsein, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben", meint Bregasi. Umgekehrt wirft er aber auch dem Staat vor, die Unternehmer nicht ausreichend zu fördern. "Viele sehen uns als Konkurrenten für die Politik", meint er. Albanien sei der einzige Staat auf der Welt, "der seine eigene Produktion nicht unterstützt". Konkret fordert er die Bekämpfung illegaler Einfuhren, eine Verringerung der Steuern (sofern sie gezahlt werden, seien sie nämlich unmäßig hoch) und eine Zinssenkung. "Österreich genießt besonders hohes Ansehen" Bisher eher bescheidenes Interesse an Albanien zeigt die österreichische Wirtschaft. Die OMV sucht gemeinsam mit einem griechischen Partner nach Erdöl. Die TIWAG hat Interesse an einem Staudammprojekt bei Tirana bekundet. Insgesamt sind nach Angaben der Handelsmission etwa 40 bis 50 österreichische Unternehmen in Albanien engagiert. Mit 20 Millionen Schilling ist das jährliche Gesamtvolumen freilich bescheiden. Dabei hätten österreichische Unternehmen in Albanien einen deutlichen Startvorteil. "Österreich genießt besonders hohes Ansehen", betont etwa der Leiter der OMV Tirana, Werner Ladwein. Bis heute nämlich sei man in Albanien voller Sympathie und Dankbarkeit dafür, dass Österreich auf der Londoner Botschafterkonferenz 1913 als einzige Großmacht größere Grenzen für Albanien befürwortete, als der Staat sie dann schließlich bekam. (APA)