Sudbury/Wien - "Wir haben das 30-jährige Rätsel der fehlenden solaren Neutrinos gelöst", berichtet Arthur McDonald (Sudbury Neutrino Observatory, SNO) in Kanada, "sie fehlen nicht, sie wandeln sich in andere Neutrinos." Neutrinos sind die häufigsten und geheimnisvollsten Teilchen - 60.000 prasseln pro Sekunde auf jeden Quadratzentimeter und durchdringen dann die ganze Erde ohne jeden Aufenthalt, weil sie keine elektrische Ladung und kaum Masse haben. Deshalb galten die in den 30er-Jahren postulierten Teilchen lange als nicht beobachtbar. Direkt beobachten kann man sie auch nicht, aber von einer Milliarde Neutrinos prallt eines auf ein irdisches Teilchen, und dabei entsteht Licht, von dem man auf den Charakter des Neutrinos rückschließen kann. Denn es gibt verschiedene - drei Typen -, und es gibt verschiedene Quellen, eine von ihnen ist die Sonne. Vor dreißig Jahren hat man berechnet, wie viele Neutrinos von ihr zur Erde kommen. Aber Messungen fanden weniger als die Hälfte des Kalkulierten. Also war entweder das Modell der Sonne falsch, oder Neutrinos entgingen den Detektoren. Die wurden im Lauf der Zeit immer gigantischer und raffinierter. Versuchte man zunächst, Neutrinos in Behältern mit normalem Wasser zu "fangen", nahm 1999 das SNO seinen Betrieb auf, 2300 Meter unter dem Erdboden, in einer ehemaligen Nickelmine. Dort steht nun ein Tank mit 1000 Tonnen schwerem Wasser - es enthält den schwereren Wasserstoff Deuterium -, das mehr Neutrinotypen detektieren kann als normales. In seiner nun abgeschlossenen ersten Messperiode hat das SNO auch mehrere Neutrinotypen detektiert. Aber die Sonne sendet nur einen: Ihre Neutrinos verwandeln sich - Rätsels Lösung - auf dem Weg zur Erde in andere Typen. Dass es eine solche "Oszillation" gibt, haben schon japanische Forscher gezeigt, aber nur indirekt. In Kanada ist es direkt gelungen. Nun lässt sich auch die Masse der Neutrinos näher bestimmen, und man hat das nächste Rätsel: Neutrinos galten als Kandidaten für die "dunkle Materie", aus der das Universum zu 90 Prozent besteht. Aber alle zusammen machen höchsten 16 Prozent davon. (jl)