Wien - Von der EU-Osterweiterung werden sowohl die EU als auch die zehn Beitrittskandidaten aus Mittel-und Osteuropa (MOEL) profitieren. Die Beitrittsländer können aber mit wesentlich höheren Wohlfahrtsgewinnen rechnen als die EU, und zwar in einem Verhältnis von zehn zu eins. Innerhalb der EU werden sich die Wohlfahrtseffekte aber ungleich verteilen, Länder wie Österreich und Deutschland, die schon bisher enge Handelsbeziehungen mit den MOEL unterhielten, gewinnen am meisten. Für Länder wie Spanien, Portugal und Dänemark aber werden die Kosten den Nutzen übersteigen. Diese Schlüsse zieht das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) als Projektleiter einer internationalen Studie über volkswirtschaftliche Auswirkungen der EU-Erweiterung. Der EU insgesamt verspricht die Untersuchung, die auf einem makroökonomischen Weltmodell beruht, durch die Erweiterung eine Steigerung ihres realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um jährlich knapp 0,1 Prozent im Zeitraum 2005 bis 2010. Überdurchschnittlich gewinnen dabei Länder mit bereits bisher engen Handelsbeziehungen zu den MOEL, wie Österreich, Deutschland und Italien. Österreich könne damit das reale BIP um 0,15 Prozent pro Jahr anheben - also kumuliert von 2005 bis 2010 um einen Dreiviertelprozentpunkt. EU-Länder, die derzeit von der Gemeinsamen Agrarpolitik und dem EU-Strukturfonds am meisten profitieren, wie Griechenland, Irland, Portugal und Spanien, würden hingegen am meisten verlieren, da mit der Deckelung der EU-Beitragszahlungen die Agrarsubventionen und der Strukturfonds zulasten der Altmitglieder angezapft werden. MOEL profitieren deutlich Die MOEL hingegen würden von der Erweiterung rund zehnmal so viel wie die EU profitieren, da ihre Handelsverflechtung mit der EU im Verhältnis zum gesamten Außenhandel wesentlich größer ist als umgekehrt. Bei Ungarn und Polen wirke sich das innerhalb von zehn Jahren in einem zusätzlichen jährlichen Wachstumsimpuls (BIP real) von rund einem Prozentpunkt aus, bei Tschechien mit 0,5 bis 0,6 Prozentpunkten. Die Studie schätzt das Zuwanderungspotenzial in die EU auf 143.700 Personen, bei abnehmender Tendenz. 95.800 davon würden nach Deutschland emigrieren, 17.700 nach Österreich. Bei der Wanderung von Arbeitskräften gewinne der Westen durch eine Produktivitätssteigerung dank billigerer Arbeitskräfte. Gleichzeitig werde vorübergehend die Arbeitslosigkeit im EU-Raum ansteigen und die Lohnquote sinken. Die Modellberechnungen gehen allerdings davon aus, dass keine Übergangsregelungen für die Freizügigkeit von Personen geschaffen werden. Basis der Studie ist die Annahme, dass in einer ersten Erweiterungsrunde 2005 Polen, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Estland sowie Zypern der EU beitreten werden und in einer zweiten Runde 2007 Bulgarien, Rumänien, die Slowakei, Lettland, Litauen und Malta folgen. (jost, DER STANDARD, Printausgabe 20.6.2001)