Islamabad/Manila - Pakistans Militärmachthaber Pervez Musharraf, der im Oktober 1999 durch einen Putsch an die Macht gekommen war, hat sich am Mittwoch auch noch den Mantel des Staatspräsidenten umhängen lassen. Im Präsidentenpalast der Hauptstadt Islamabad, so berichteten zunächst am Dienstagabend die pakistanischen Medien, herrsche ungewohnte Hektik: Der bisherige Präsident Rafik Tarar räume sein Büro, und in der zeremoniellen Empfangshalle werde jenes Dekor aufgebaut, wie es normalerweise für die Vereidigung neuer Präsidenten verwendet werde. Am Mittwoch kam dann die offizielle Bestätigung. Präsident Tarar gab seinen Rücktritt bekannt. Am Nachmittag dann wurde General Pervez Musharraf als neuer Präsident vereidigt. Gleichzeitig löste er das seit seiner Machtübernahme suspendierte nationale Parlament endgültig sowie vier Regionalversammlungen auf.


Lange Tradition

Nun liegt in Pakistan die ganze Machtfülle in den Händen von Musharraf, der auch seine bisherigen Ämter als Chefadministrator und Oberbefehlshaber der Armee beibehalten wird. Damit folgt er dem Beispiel von General Zia ul-Haq, der sich 1978 zum Präsidenten erklären ließ und gleichzeitig oberster Befehlshaber der Armee blieb. Militärherrschaft ist für Pakistan nicht ungewohnt: In den 54 Jahren seit der Unabhängigkeit wurde Pakistan während 26 Jahren von Militärs regiert.

Die Übernahme des Präsidentenamts scheint in einem direkten Zusammenhang mit den für Mitte Juli geplanten Gesprächen zwischen Musharraf und dem indischen Premier Vajpayee zu stehen. Oppositionspolitiker hatten in den vergangenen Tagen stets betont, Chefadministrator Musharraf habe keine Legitimation, in Indien für das pakistanische Volk zu verhandeln. Nun - als uneingeschränkter Herrscher - kann er in Indien noch mächtiger auftreten.

Bei diesen historischen Gesprächen geht es um die Zukunft Kaschmirs, das beide Staaten für sich beanspruchen. Zweimal - 1947 und 1965 - standen sich die Nachbarländer wegen Kaschmir in bewaffneten Konflikten gegenüber.

Unklar ist allerdings, was Musharrafs neue Machtfülle für die Zukunft Pakistans bedeutet. Bislang hatte der General versprochen, das Land im Oktober 2002 zur Demokratie zurückzuführen. Daran soll sich laut Aussagen von Ministern nichts ändern. Politische Beobachter in Islamabad sehen in diesem Schritt jedoch ein Zeichen dafür, dass Musharraf wohl nicht bereit sein wird, dann zumal die politische Macht vollständig aus der Hand zu geben. (Der Standard, Print-Ausgabe, 21.6.2001)