Wien - "Wer bin ich, dass ich glauben soll, mein Gebet sei eine Notwendigkeit?" Das fragt Arnold Schönberg, der sich seit 1933 immer stärker zum mosaischen Glauben hingezogen fühlt. Moderner Psalm heißt das Werk, in dem er diese bange Sinnfrage in die Gewissheit über Gottes Wiederkehr münden lässt. Der Arnold Schönberg Chor und das Hochschulsymphonieorchester unter Erwin Ortner musizieren diesen letzten Teil der Chortrilogie op. 50 am eindrucksvollsten. Eine Zwölftonreihe erklingt als Wunderreihe. Expressiv und doch konturiert. Wie ein musikalisches Ausrufezeichen auch die A-capella-Gesänge Dreimal tausend Jahre und der Psalm 130 . Ein Chor, der in der Klangwelt Schönbergs zu Hause ist und den hebräischen Text glasklar deklamiert. Die drei Klavierstücke op. 11, vom Dirigenten Bornstein eigens für Orchester arrangiert, geraten jedoch zähflüssig und fleischlos. Durch die Analyse des Klaviermaterials stehen die drei Stücke wie Musikskelette isoliert und unproportioniert im Raum. Weg ist die knappe Aussage, die Konzentration von Augenblicken des Atonalen. In der Orchesterfassung fallen chromatische Felder, aphoristische Gedanken Schönbergs auseinander oder stechen unliebsam hervor wie von fremder Hand schlecht verbessert. Nicht mehr Schönberg, sondern nur mehr Bornstein erklingt, was nicht so schlimm wäre, überzeugte das Arrangement in seiner Andersartigkeit. Der Höhepunkt aber: Ernst Kovacic mit dem Violinkonzert op. 36. Atemberaubend virtuos und den Bogen fast überspannend, so überaus musikalisch, so gut interpretiert dieser Geiger Zwölftonmusik. Frenetischer Applaus für einen Musiker, der sich auf die Moderne und Zeitgenossen unter den Komponisten spezialisiert hat. Sein Spiel verwandelte die Strenge dieses Konzerts in den fließenden Expressionismus eines früheren Schönberg zurück. Warum nicht? (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. 6. 2001)