Wien - Das im Herbst gefürchtete schwache Marktumfeld überschattet nun auch den zweiten Anlauf der Grazer Andritz aufs Börsenparkett. Anstatt wie ursprünglich geplant vier Millionen Aktien zu platzieren, brachte das Unternehmen nur die Hälfte an die Investoren. Es werden keine alten Aktien ausgegeben, ebenso wenig ein Greenshoe (Mehrzuteilungsoption). Außerdem wurde ein Fixpreis von 21 Euro festgelegt und die Zeichnungsfrist für institutionelle Anleger bis Donnerstagabend, für Private bis Freitagfrüh, verlängert. Die Erstnotiz erfolgt am Montag. Ursprünglich wurde ein Preisband von 23 bis 27 Euro festgelegt. "Die Aktie ist damit schon sehr billig", formulierte ein Aktienhändler. Ein Sprecher des Börsegang-Konsortialführers Deutsche Bank sagte dem Standard, dass vor allem internationale Fonds die Aktie für zu teuer befanden. Dem Unternehmen selbst fließen bei diesem Angebot 42 Mio. € zu, deutlich weniger als erwartet. Strategie bleibt Die Steirer haben vorerst auch keine Chance auf Aufnahme in den Leitindex der Wiener Börse: Im ATX notieren nur jene Unternehmen, deren kapitalisierter Streubesitz über 100 Mio. € beträgt. Der liegt nun bei Andritz statt bei 31 Prozent lediglich bei etwa der Hälfte. Also wird Andritz im Specialist-Segment, also der zweiten Börsenliga, mitspielen. Was internationale Fonds nicht wirklich zur Investition reizt. Die Deutsche Bank sieht wie Andritz selbst die Firmenstrategie jedenfalls nicht gefährdet. Das Geld wollen die Grazer verwenden, um die zweite Hälfte an der finnischen Andritz-Ahlstrom zu kaufen. Indessen kritisieren Kleinanleger heftig die Sonderdividende, die sich die Altaktionäre im März 2000 genehmigten. Von 359,3 Mio. € (4,944 Mrd. S) ist im Börseprospekt die Rede. "Was Sie da vielleicht als Abzocke bezeichnen, ist in Wahrheit die systemisch bedingte Geschäftsgrundlage", sagte ein Banker, es sei dies eine übliche Vorgangsweise bei einem so genannten Leverage-Buyout, bei dem sehr viel Fremdkapital zum Aufkauf aufgenommen wird. Andritz sei vom ehemaligen Eigentümer, der Agiv AG aus der Firmengruppe der BHT-Bank, an die neuen Eigentümer verkauft worden - an die Investmentgesellschaften Carlyle, UIAG, Univest, DBAG, an GE Capital sowie an Stiftungen von Adritz-Vorstandschef Leitner. Da diese Übernahme mit Fremdkapital finanziert worden sei, hätten die Aktionäre die Cashbestände von Andritz zur Refinanzierung abgeschöpft. Pikante Analogie Pikant wird die Sache jedoch dadurch, "und dessen sind wir uns voll bewusst", sagt ein Banker, dass die Altaktionäre von Libro - unter anderem ebenfalls UIAG und DBAG - sich vor dem Börsegang der jetzt insolvenzgefährdeten Handelskette ebenfalls eine Sonderdividende zukommen lassen haben. "Aber da kann man keine Analogie ziehen, denn bei Andritz war das part of the deal, alles andere ist eine sehr populistische Sichtweise." Dasselbe "Strickmuster" wie bei Libro ortet auch Wilhelm Rasinger, Präsident des Interessenverbandes für Anleger (IVA): "Andritz zahlt jetzt die Rechnung für Libro." Einen großen Unterschied macht der Anlegerschützer allerdings zwischen den beiden Firmen aus: Er habe vom Management bei Andritz den wesentlich besseren Eindruck als bei dem von Libro. Rasingers Vorwurf an die Investmentbanken: "Sicher war zu viel Geld in der Firma, etwas Zurückhaltung hätte aber nicht geschadet." Firmenchef Wolfgang Leitner sei aber insofern fair, als er sich nur zu kleinen Teilen von Aktienpaketen getrennt habe. (Esther Mitterstieler, Leo Szemeliker, DER STANDARD, Printausgabe 22.6.2001)