Türkei
Warnung Schüssels vor Verbot sorgte für Wirbel
Türkische Zeitungen kritisierten "politischen Druck" des Kanzlers
Istanbul/Ankara - Eine Stellungnahme von Bundeskanzler Wolfgang
Schüssel zum möglichen Verbot der islamistischen Tugendpartei (Fazilet Partisi/FP) in
der Türkei hat in der türkischen Öffentlichkeit für Wirbel gesorgt.
"Verbietet sie nicht!", fasste die größte türkische Zeitung,
"Hürriyet", am Freitag in einer Schlagzeile die Botschaft Schüssels
zusammen.
Schüssel hatte am Donnerstag nach einer Begegnung mit dem
türkischen Regierungschef Bülent Ecevit in Ankara zu Vorsicht bei
Parteiverboten geraten. Der zweitägige Besuch des Kanzlers in der
Türkei stehe im Zeichen des Prozesses gegen die Tugendpartei,
kommentierte "Hürriyet". Die türkischen Zeitungen strichen in ihrer
Berichterstattung heraus, Schüssel habe angedeutet, dass die
Europäische Union über ein Verbot der Tugendpartei "nicht glücklich"
wäre.
Warnung an die Türkei?
Die angesehene Zeitung "Cumhuriyet" fasste Schüssels Bemerkungen
als Teil des politischen Drucks auf das Verfassungsgericht in Ankara
auf, die Tugendpartei nicht zu verbieten. Die englischsprachige
"Turkish Daily News", die von vielen ausländischen Diplomaten in
Ankara gelesen wird, wertete die Stellungnahme des österreichischen
Kanzlers sogar als "Warnung" an die Türkei.
Mit Interesse wurde in den türkischen Medien zudem vermerkt, dass
sich Wolfgang Schüssel in Ankara auch mit dem Vorsitzenden der von
dem Verbot bedrohten Tugendpartei, Recai Kutan, traf. Kutan,
politischer Erbe von Ex-Premier Necmettin Erbakan, habe in dem
Gespräch mit dem österreichischen Bundeskanzler für den Fall eines
Verbots die Neugründung einer islamistischen Partei angekündigt,
berichteten die Zeitungen. (APA/dpa/Reuters)