Wien - Eine Verdoppelung der Staatsanwälte fordert die künftige Präsidentin der Vereinigung österreichischer Staatsanwälte, Brigitte Bierlein. Die geplante Reform des strafprozessualen Vorverfahrens werde den Staatsanwälten einen "explosionsartigen Arbeitszuwachs" bescheren. Wenn man die derzeit 200 Posten nicht auf rund 400 aufstocke, sei "die gesamte Reform von vornherein zum Scheitern verurteilt", sagte Bierlein Freitag in der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem scheidenden Präsidenten Friedrich Matousek. Mit der Vorverfahrensreform bekomme die StA die Verantwortlichkeit für sicherheitspolizeiliches Handeln, die bisherigen Tätigkeiten des Untersuchungsrichters und eine wesentlich größere Begründungspflicht dazu. "Mit der derzeitigen Besetzung ist das undurchführbar", so Bierlein - die darauf hinwies, dass allein die Stadt Berlin 300 Staatsanwälte, ganz Österreich aber nur 200 habe. Matousek drängte auf "schleuniges Vorsorgen": Schließlich dauere es fünf Jahre, bis jemand als Staatsanwalt arbeiten könne. Vehement unterstrichen Bierlein, Matousek und der Ehrenpräsident Generalprokuratur i.R. Gottfried Strasser die langjährige Forderung nach Abschaffung des Weisungsrechts des Justizministers in Einzelstrafsachen. Sie wollen es dem Generalprokurator mit seiner "autonomen, abgehobenen Stellung" übertragen. Weisungsrecht ein "Überrest" Das Weisungsrecht des Ministers sei "ein Überrest aus der Kabinettjustiz, wo die Politik entschied, wer und wie jemand vors Strafgericht kommt", so Bierlein. Die Weisungsspitze Justizminister müsse weg, "weil dort politische Einflussnahme möglich ist" - und "dem Staatsanwalt die Hände gebunden werden können". Man müsse gerade angesichts der künftig zentralen Rolle der StA im Vorverfahren "den Bürgern das Gefühl geben, dass auch bei den Staatsanwälten alles sauber zugeht". Matousek hat bei den Universitätsprofessoren Peter J. Schick und Bernd-Christian Funk ein Gutachten in Auftrag gegeben. Auch sie bestätigen: Die StA stehe der Gerichtsbarkeit näher als der Verwaltung, sei funktionell als Organ der Strafrechtspflege tätig. Ihre Rolle habe sich - zuletzt durch die Diversion - erheblich verändert, mit der StPO-Reform werde sie zur "Garantin der Justizförmigkeit des Verfahrens". Dies erfordere "ein maximal unabhängiges Handeln", die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Minister "entspricht nicht mehr den heutigen Aufgabenstellungen". Der Minister sollte sich auf die "Weitergabe kriminalpolitischer Vorstellungen" beschränken und der Generalprokuratur entscheiden, wenn StA und Oberstaatsanwaltschaft in einer Einzelsache nicht einer Meinung sind. "Ich werde nicht schmiegsam sein" Strasser, der als Vor-Vorgänger Bierleins den Kampf gegen das Weisungsrecht aufnahm, widersprach dem Argument des Ministeriums, Weisungen seien ohnehin nur schriftlich und mit größter Transparenz möglich: "In brenzligen Fällen, wo es um Einstellungen geht, funktioniert diese Transparenz nicht." In den meisten EU-Staaten sei dies der Fall - und dort, wo es Österreich ähnliche Regelungen gibt, wie z.B. Deutschland, "enthält man sich" der Ausübung des Weisungsrechts. In der Standesvertretung wurde angesichts der Vorverfahrensreform eine "maßvolle Verjüngung", so Bierlein, vorgenommen. Matousek (61) begründete seinen Rücktritt nach sechs Jahren an der Spitze des Vereins österreichischer Staatsanwälte damit, dass er angesichts seines Alters "wahrscheinlich nicht mehr in die Verlegenheit kommen werde, das neue Vorverfahren zu vollziehen". Dass sich Bierlein vehement für die Forderungen ihres Standes einsetzen wird, unterstrich sie mit den Worten: "Ich werde nicht schmiegsam sein." Matouseks "Erfolgsbilanz" umfasst das in "mühsamer Arbeit" erreichte neue Besoldungsrecht für Richter und Staatsanwälte, von dem vor allem jüngere Kollegen profitieren, die Mitarbeit an der Diversion samt zehn dem damaligen Minister Nikolaus Michalek dafür "abgerungenen" Planstellen, die maßgebliche Beteiligung an der Gründung der Internationalen Vereinigung der Staatsanwälte - und schließlich deutliche Fortschritte in der ebenfalls langjährigen Forderung nach Verankerung der StA in der Verfassung. Dazu liegt ein Vier-Parteien-Antrag im Parlament, der vermutlich im Herbst beschlossen werde, so Matousek. (APA)