Wien - Immer mehr Vorarlberger Lehrer verlassen derzeit ihren angestammten Ländle-Arbeitsplatz und wandern in die Schweiz ab. Sie ergreifen die Flucht vor den Auswirkungen des Sparpaketes der Regierung. Dreh- und Angelpunkt der Absetzbewegung: drohender Arbeitsplatzverlust durch die Streichung von Dienstposten und durchschnittliche Einkommensverluste von minus 15 Prozent trotz Arbeitszeiterhöhung. Parallel dazu werden die heimischen Pädagogen in der Schweiz mit offenen Armen erwartet, da dort eklatanter Lehrermangel herrscht. In der Eidgenossenschaft sind derzeit insgesamt 750 Lehrerposten für grenznahe Lehrer vakant. Hauptschullehrer Gerold Hehle verweist im Standard-Gespräch darauf, "dass sich bis jetzt schon 60 Ländle-Lehrer fix für das neue Schuljahr in der Schweiz, das am 13. August beginnt, verpflichtet haben". Dort können sie im Schnitt das Doppelte ihres hiesigen Gehaltes verdienen. Bekommt ein Pflichtschullehrer hier nach zwanzig Jahren etwa 490.000 S brutto im Jahr, kann ein Eidgenosse in vergleichbarer Position rund 945.000 S brutto Jahresgehalt lukrieren. Das jüngste Beispiel: In Feldkirch musste Mitte der Woche die Heilstättenschule aufgelöst werden, weil drei von vier Lehrkräften abwandern. Gleichzeitig buhlen die kantonalen Erziehungsdirektoren auf den Top-Job-Seiten heimischer Tageszeitungen mit ganzseitigen Inseraten weiter um österreichisches Lehrpersonal. Allein in Zürich müssen noch rund 500 offene Stellen besetzt werden. Genf muss bis zum Schulbeginn noch 300 Sekundarschullehrer auftreiben, da viele Schweizer Lehrer wegen guter Angebote aus der Wirtschaft dem Klassenzimmer den Rücken gekehrt haben. In Vorarlberg erfreut sich währenddessen eine neue "Bildungsgewerkschaft" als Plattform frustrierter Lehrer regen Zuspruchs, die sich von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) im Stich gelassen fühlen. Die Gründung der neuen Gewerkschaft erfolgt dieses Wochenende. Die Sprecherin, Elisabeth Lechner, kündigt auf Standard-Anfrage für den Herbst einen "Streik" an. Einen solchen hatte die GÖD der Ländle-Lehrerschaft im Frühjahr noch als "nicht zielführend" verweigert. (DER STANDARD Print-Ausgabe vom 23.6.2001)