Hand aufs Herz: Könnten Sie folgende Begriffe und Abkürzungen so aus dem Stegreif erklären? Banner-Burnout, Bluetooth, Businessangel, Dotcom, Cappuccino-Worker, Hype, Mausbeutung, Outperformer, Spam, B2B, IPO. Hat es nicht ganz geklappt? Trösten Sie sich, Sie sind keinesfalls unterdurchschnittlich. Die Wörter der so genannten New Economy sind erst in den letzten Jahren oder gar erst Monaten entstanden und daher noch nicht allgemein verständlich. Diese Nische erkannte auch der Dudenverlag und brachte zusammen mit dem Hamburger Trendbüro das handliche Wörterbuch der New Economy auf den Markt. Das 1992 von Professor Peter Wippermann gegründete norddeutsche Unternehmen untersucht den gesellschaftlichen Wandel im ökonomischen Kontext und beschäftigt sich mit der Entwicklung von Marken- und Kommunikationsstrategien sowie Produktinnovationen; es zeichnet auch für die Begriffsdefinitionen verantwortlich. Seltsamerweise findet man jedoch den im Buchtitel genannten (vagen) Begriff "New Economy" nicht unter den rund 1000 Stichwörtern. Nur im Editorial heißt es leicht ironisch und im Stil der Neuen Wirtschaft: "Es ist gefährlich geworden, den Begriff New Economy in den Mund zu nehmen. Möglicherweise gehören Sie zu denjenigen, die am Neuen Markt spekuliert haben und, durch Kursfantasien beflügelt, in eine Bärenfalle geraten sind." Später wird erklärt: "Der Begriff der New Economy tauchte in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre zunächst in den USA auf und bezeichnete dort den Wirtschaftsaufschwung, der vor allem durch die IT-Branche ausgelöst wurde. Heute steht der Begriff für den Transformationsprozess einer späten Industriegesellschaft hin zur Wissensgesellschaft." Es fragt sich nur, wo dann die Dienstleistungsgesellschaft bleibt, die ja schon seit langem den größten Anteil am BIP erwirtschaftet. Eingeteilt wird das Wörterbuch in sechs Kapitel, die jeweils mit einem doppelseiten Vierfarbfoto beginnen: E-Conomy, Work-Culture, Stock-Exchange, New Marketing, Knowledge-Management und Life-Sciences. Aufgelockert wird der Band durch 100 Porträtfotos und Zitate von mehr oder weniger bekannten Leuten, die die New Economy in Deutschland geprägt haben sollen. Viele der 1000 Stichwörter wie etwa Account, Attachment, Content, Going Public, Gobal Player, Provider oder die Abkürzungen IT (Informationstechnologie), KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) und M-Commerce (Geschäfte per Handy) sind Internetusern und Hobbybörsianern längst vertraut, und sie bereichern teilweise schon unsere Alltagssprache. Doch beim Durchblättern des Wörterbuches und des praktischen Stichwortregisters wird man immer wieder mit Neuland und Aha-Erlebnissen konfrontiert. Und damit macht das Lesen des Wirtschaftsteils von Tageszeitungen, Computer-und Wirtschaftsmagazinen natürlich viel mehr Spaß. Die sprachliche Entwicklung geht über die Verwendung von Neologismen hinaus in Richtung "Cyberslang", wofür das Wörterbuch folgendes treffliche Beispiel liefert: "Ich muss mich noch updaten, hatte in den letzten Tagen nicht genug Arbeitsspeicher frei, um mich auf das Projekt vorzubereiten." Interessant sind auch die geschichtlichen Hintergründe, die zu Wortneuschöpfungen führten; u. a. soll das Wort "Bluetooth" auf den Wikingerkönig Harald Blauzahn, der im 10. Jahrhundert regierte, zurückgehen. Ein Mangel sind allerdings die fehlenden bestimmten Artikel bei den Stichwörtern, die gerade bei den zahlreichen englischen Wörtern oft fraglich sind. Heißt es der oder das Hype, der oder das Spam, die oder das Dotcom? Im Falle von Dotcom gibt auch das im Vorjahr erschienene große Duden-Fremdwörterbuch keine Auskunft. Damit Sie diese Buchbesprechung nicht unverstanden verlassen müssen, zurück zum Anfang: Banner-Burnout ist die Ablaufzeit für Werbung im Internet, Bluetooth bezeichnet die künftige drahtlose Datenübertragung in Büros, Businessangels nennt man private Investoren bei riskanten Firmenneugründungen; Dotcoms sind Internetfirmen, Cappuccino-Worker sichern sich ihr Grundeinkommen durch einen Basis-Job und gehen noch Nebenjobs nach, mit Hype bezeichnet man eine übertriebene Begeisterung, die Aktienkurse steigen lässt, mit Mausbeutung die Ausbeutung von arbeitswütigen Singles in der Internetbranche; Outperformer nennt man eine Aktie mit überdurchschnittlicher Kursentwicklung, Spam ist die unerwünschte Werbung im Internet, B2B bedeutet Business to Business und IPO (initial public offering) bezeichnet den Börsegang eines Unternehmens. (DER STANDARD-ALBUM, Print-Ausgabe 23. / 24. 6. 2001)