Prag - Der Generaldirektor des südböhmischen Atomkraftwerkes Temelin, Frantisek Heuzoucky, hat am Samstag bestätigt, dass die Beton-Platte unter der Turbine in dem AKW ein leicht geneigt ist. Über die "mäßige Neigung" wisse man schon seit 1996 und man könne sie als "üblich" betrachten, meinte Hezoucky im Tschechischen Rundfunk. Nun diskutiere man wieder über die Tatsache, weil man die Turbine gründlich reparieren wolle. Die Neigung der Beton-Unterlage an sich sollte aber "keinen großen Einfluss haben, weil es dort selbstverständlich eine ganze Reihe von Einflüssen gibt. Dies alles muss man nun bei der Montage der Turbine berücksichtigen", erklärte Hezoucky. Die Turbine sowie der gesamte Reaktor in Temelin sind seit Anfang Mai abgeschaltet, damit man eine Revision und die Reparatur der nach einer Serie von Störfällen beschädigten Maschine durchführen kann. Mit dem neuerlichen Start des Reaktors wurde ursprünglich Anfang Juli gerechnet, vor einigen Tagen hat jedoch der Tschechische Energiekonzern (CEZ) mitgeteilt, dass der Probelauf frühestens nach dem 21. Juli fortgesetzt wird. Deswegen werde der kommerzielle Betrieb Temelins nicht im September, sondern erst im Dezember beginnen, teilte der CEZ mit. Turbine seit Mai in Reparatur Die 56 Meter lange Betonplatte unter der Turbine sank in den letzten Monaten teilweise ab und ist deswegen nun ein bisschen geneigt. Auch dies könnte eine der Ursachen der bisherigen Probleme im nicht-atomaren Teil des Atomkraftwerks sein. Deshalb wird die Turbine seit Anfang Mai repariert, berichtete die tschechische Tageszeitung "Lidove noviny" (Samstag-Ausgabe) unter Berufung auf tschechischen Atomgegner sowie einige Temelin-Mitarbeiter. "Eine sehr glaubwürdige Quelle hat uns bestätigt, dass sich die Betonunterlage teilweise verschoben hat", meinte die Chefin der tschechischen Bewegung "Südböhmische Mütter" ("Jihoceske matky"), Dana Kuchtova, deren Organisation gegen Temelin kämpft. Sollten sich diese Information bestätigen, werde dies eine weitere deutliche Verschiebung der Inbetriebnahme von Temelin bedeuten, meinen die tschechischen Atomgegner. Auch Jiri Tyc, Schicht-Ingenieur aus Temelin, der sonst als starker Befürworter des Atomkraftwerks auftritt, deutete die Existenz des Problems an. "Offiziell kann ich das nicht bestätigen, allerdings habe ich gehört, dass die Unterlageplatte sozusagen arbeitete und von der idealen Stellung abgewichen ist", meinte Tyc. Allerdings gebe es nicht die Gefahr einer neuen Verzögerung der Inbetriebnahme. "Im Gegenteil, wenn wir schon wissen, was die wirkliche Ursache der jüngsten Probleme mit der Turbine war, können wir sie verhältnismäßig schnell beseitigen", so Tyc. Auch die tschechische Firma "Skoda Praha", die als Turbinenlieferant die Reparaturen durchführt, gibt das Problem zu. "Die Experten prüfen, ob eine gewisse Senkung der Unterlageplatte die Ursache der früheren Schwierigkeiten mit dem Betrieb der Turbine sein könnte", sagte der "Skoda Praha"-Sprecher Milan Kuchta gegenüber der Zeitung. Ergebnisse der Messungen seien aber noch nicht vorhanden, fügte er hinzu. Leitung weiß nichts Die Leitung der Firma "Vodni stavby Bohemia", der Produzentin der Betonplatte, weiß nach eigenen Angabennichts darüber. "Wir haben die Platte vor sechs Jahren an den Tschechischen Energiekonzern (CEZ) übergeben. Seitdem hat sich in dieser Sache niemand wegen eventueller Schwierigkeiten gemeldet", sagte das Vorstandsmitglied der Firma, Onder Vidha. Nach Angaben des Beauftragten des Landes Oberösterreich für grenznahe Atomanlagen, Radko Pavlovec, sind die Schäden die Folge von starken Vibrationen der Turbine, die im Rahmen der in den letzten Monaten durchgeführten Tests aufgetreten sind. Die Tests wurden durchgeführt, obwohl die Vibrationen die für Gebäude zulässigen Werte überschritten hätten, hieß es in einer Aussendung. Dies geschah offensichtlich auf Anordnung des CEZ-Managements, das unter allen Umständen eine Unterbrechung des Testbetriebes verhindern wollte, so Pavlovec. Die Bodenplatte dient zur Verankerung der Turbine und ist als eine spezielle, flexibel gelagerte Betonkonstruktion ausgeführt. Die Konstruktion soll die auch im Normalbetrieb auftretenden Vibrationen aufnehmen. Den weit über den Normen liegenden Vibrationen konnte die Platte jedoch nicht standhalten. "Die aufgetretene Situation stellt einen weiteren schweren Schlag für die Glaubwürdigkeit der Temelin-Betreiber und der tschechischen Nuklearaufsichtsbehörde dar, die den Experimenten in Temelin tatenlos zugesehen hat", erklärte Radko Pavlovec. "Österreich muss nun dringend der tschechischen Seite mitteilen, welche Nachrüstungserfordernisse sich aus der sicherheitstechnischen Bewertung des AKW Temelin ergeben. Auf dieser Grundlage kann die tschechische Regierung eine Neubewertung der ökonomischen Aspekte des Temelin-Projektes vornehmen. Durch die Entscheidung über den sofortigen Abbruch des Temelin-Projektes kann Tschechien Schäden in der Höhe von Dutzenden Milliarden Kronen vermeiden", so Pavlovec abschließend. (APA)