Klagenfurt - Mit der Auslosung der Reihenfolge der Lesungen wurden am Mittwoch im ORF-Theater in Klagenfurt die "25. Tage der deutschsprachigen Literatur" eröffnet. Zum 25. Mal wird der "Ingeborg Bachmann Preis", wie die Auszeichnung nach der Freigabe der Bezeichnung durch die Familie Bachmanns nach wie vor heißt, vergeben - in jenem Jahr, in dem die Schriftstellerin 75 Jahre geworden wäre. Die Eröffnungsrede hielt die deutsche Autorin Katja Lange-Müller mit der "Klagenfurter Rede zur Literatur". Neues Preisgeld 16 AutorInnen - ein Österreicher, 13 Deutsche und zwei SchweizerInnen - stellen sich bei der bedeutendsten Literaturveranstaltung im deutschsprachigen Raum der prominent besetzten Fachjury mit Robert Schindel an der Spitze, um eine der gegenüber dem Vorjahr höher dotierten Auszeichnungen zu erlangen. Der von der Landeshauptstadt Klagenfurt gestiftete Hauptpreis wurde auf 300.000 Schilling (21.802 Euro) angehoben. Ebenso wurden der Preis der Jury auf 200.000 Schilling (gestiftet von Jet2Web), der von 30 Verlagen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gestiftete Ernst-Willner-Preis auf 120.000 Schilling und der 3sat-Preis auf 100.000 Schilling erhöht. Zum Wettbewerb im ORF-Theater des Klagenfurter Landesstudios tritt als einziger Österreicher Ludwig Laher an. Aus Deutschland nehmen Katrin Askan, Artur Becker, Jenny Erpenbeck, Robert Fischer, Annegret Held, Ute-Christine Krupp, Tanja Langer, Michael Lentz, Heiner Link, Rainer Merkel, Norbert Müller, Antje Ravic Strubel und Ulrich Schlotmann teil, aus der Schweiz Brigitte Schär und Philipp Tingler. Kleine Veränderungen gegenüber dem Vorjahr bei der Jury: Nach einigen Jahren Pause kommt diesmal die Literaturdozentin Konstanze Fliedl wieder nach Klagenfurt. Frischen Wind sollen die beiden neu gewonnenen Juroren Birgit Vanderbeke und Thomas Widmer in die Diskussion bringen. So wie im letzten Jahr gehören der österreichische Autor Robert Schindel ("Gebürtig"), der Literaturredakteur beim Deutschlandfunk, Denis Scheck, der deutsche Schriftsteller Burkhard Spinnen und die Züricher Universitätsprofessorin Elisabeth Bronfen der Jury an. Moderieren wird Ernst A. Grandits. Ende des ersten Tages des Klagenfurter "Wettlesens" Beim ersten Tag der 25. "Tage der deutschsprachigen Literatur" in Klagenfurt kamen überraschend unterschiedliche Texte zum Vortrag. Während Österreichs einziger Teilnehmer Ludwig Laher (45) eine komplizierte Geschichte voller Zitate las, waren Humoresken (Heiner Link, 40, D), Texte von hoher literarischer Qualität (Antje Ravic Strubel, 26, D), comicartige (Norbert Müller, 37, D), sterile (Ute-Christine Krupp, 38, D) und skurrile Geschichten (Brigitte Schär, 42, CH) zu hören. Lahers Beitrag "Fluchtwelten" entzog sich dem literarischen Schnellgericht durch eine abgehobene Textstruktur, in der "viel Wortsand, aber auch Goldkörner" zu finden waren (Thomas Widmer, CH). Allgemein wurde empfunden, dass die "Globalisierungs- Vernaderung" (Denis Scheck, D) selbst eine "Globalisierung der Sprache" (Birgit Vanderbeke,D) betreibt. In Heiner Links Geschichte um eine abenteuerliche Autofahrt mit einer Beifahrerin ohne Höschen erzeugte zwar stellenweise Gelächter, allerdings vermisste man die "Reife" (Scheck). Antje Ravic Strubel überzeugte mit einer mehrschichtig angelegten Geschichte aus dem Arbeits- und Liebesalltag einer jungen Frau in der DDR, in den versprengte Versatzstücke aus einem Märchen eingewoben sind. Jurysrecher Robert Schindel (A) gratulierte der Autorin, auch die anderen Jurymitglieder zeigten sich von dem Text der jungen Deutschen sehr angetan. Norbert Müller beschrieb in Comicsequenzen die Nöte eines vom Verlag unter Druck gesetzten Autors, der knapp vor seiner Vermählung steht. Eine Szene am Pissoir einer Gaststätte, in der Bräutigam und Schwiegervater in spe kommunizieren, ließ Juror Scheck erst in die Geschichte einsteigen. Kafkaeske Assoziationen erweckten allerdings unterschiedliche Gefühle. Roter Faden "Geisterbahn" Ute-Christine Krupp ließ als einzige Lebensäußerung ihrer Heldin - einer Chemikerin - nur ihren Hang zum essen von "Mäusespeck" zu. Alles, was in der Geschichte sonst noch lebe, seien die Bakterienkulturen, meinte Vanderbeke. Darüber hinaus sei der Text für seine exakte Konstruktion zu ungenau. Brigitte Schär erzeugte Spannung mit einer surrealen Übereinander-Schichtung von Erzählebenen, in die der Leser aktiv und passiv hineingezogen wird. Die Parabel über das Schreiben wurde zwar kontroversiell aufgenommen, darüber, dass der Text spannend sei und deshalb funktioniere herrschte aber weitgehende Einigkeit. Das Wort "Geisterbahn" zog sich vormittags wie nachmittags wie ein roter Faden durch die Jurymeinungen, wobei die Abstufungen des Gruselns nie wirklich ausgelotet wurden. (APA)