Putin hat die Anwesenheit Klestils dazu genutzt, noch eine andere Botschaft auszusenden: Russland ist nicht bereit, die einzige noch vorhandene Gleichrangigkeit mit den USA, nämlich in der strategischen Rüstung, preiszugeben. Mit der Präzision und Logik des ehemaligen Geheimdienstoffiziers machte Putin klar, dass Russland sich durch den einseitigen Aufbau eines Raketenabwehrsystems ausgebootet fühlen und mit einer neuen atomaren Rüstungsrunde antworten würde. Ein neuer Kalter Krieg wäre die unweigerliche Folge.
Möglich, dass der Kremlchef hier hoch pokert und seine Zustimmung zu einer Raketenabwehr so teuer wie möglich machen will. Verlassen sollte man sich in Washington nicht darauf. Denn für Putin kommt das Thema Raketenabwehr wie ein Geschenk des Himmels. Es erlaubt ihm, vor der Welt, vor allem aber gegenüber dem eigenen Volk, Stärke zu zeigen, und das zu relativ geringen Kosten. Und nachdem er sich jetzt so weit hinausgelehnt hat, wird er sich einen Rückzieher nicht mehr leisten können. Die Militärs, die sich - aus vielerlei Gründen - ohnehin gedemütigt fühlen, würden es ihm nicht verzeihen. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 25.6.2001)