Mailand/Amsterdam/Basel - Die Frage der Auslieferung des früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic an das Haager UNO-Kriegsverbrechertribunal beschäftigt am Montag eine Reihe von europäischen Zeitungen. Der italienische "Corriere della Sera": "Die demokratischen Führer (in Belgrad) haben nach einer hektischen Woche der Verhandlungen den Atem angehalten in der Erwartung, wie der Westen auf ihr Dekret reagiert. Noch einmal versicherte der Außenminister, dass es nicht mehr darum geht, ob Milosevic ausgeliefert wird, sondern nur noch darum, wann dies geschieht. Leider für die zerstörte Wirtschaft Belgrads könnte den Ländern, die bei einem Treffen darüber entscheiden wollen, wie viele Millionen sie zur Unterstützung Jugoslawiens bereit stellen, das Dekret nicht ausreichen. Die Vereinigten Staaten bestehen darauf, den ehemaligen Präsidenten in Den Haag zu sehen, ehe sie die Brieftasche öffnen." Der niederländische "Telegraaf": "Das Winken mit dem Geldbeutel hat in Jugoslawien gewirkt. In den letzten Tagen haben die neuen Demokraten eifrig versucht, den Westen davon zu überzeugen, dass sie sehr wohl mit dem UNO-Tribunal zusammen arbeiten wollen. Schließlich wird am nächsten Freitag in Brüssel über einen Strom westlicher Hilfe im Umfang von 2,5 Milliarden Gulden (1,2 Milliarden Euro) entschieden. (...) Ohne umfangreiche internationale Hilfe können die neuen Machthaber, die Milosevic im vorigen Oktober vertrieben haben, Jugoslawien nicht aus dem ökonomischen Sumpf ziehen. Ohne den dicken Scheck könnten sie die Unterstützung durch das Volk verlieren, und das haben sie längst begriffen." Die "Basler Zeitung": "Die Prozesse gegen Milosevic & Co. sind auch wichtig für die Beziehungen des neuen Serbien mit seinen Nachbarn. In Kroatien, Bosnien-Herzegowina oder im Kosovo hält man Milosevic zu Recht für den Hauptverantwortlichen der vier Balkankriege. Ein Prozess, von den serbischen Justizbehörden geführt, hätte bei den Nachbarn nicht die notwendige Glaubwürdigkeit. Die serbische Justiz, über Jahrzehnte politisch instrumentalisiert, genießt ja selbst in Serbien wenig Ansehen. Belgrad tut mit dem Regierungsdekret und der baldigen Auslieferung von Kriegsverbrechern seine Pflicht. Derzeit entsteht dabei aber der unschöne Eindruck, dass es nur um Geld geht. Der einfache Deal: Kriegsverbrecher gegen internationale Hilfe". Der Pariser "Figaro" "Das Haager Kriegsverbrechertribunal hat sich zu Recht intensiv mit den Verbrechen beschäftigt, die von den serbischen Einheiten an den albanischen Zivilisten begangen wurden. Seitdem aber die NATO im Kosovo die Kontrolle übernommen hat, ist kein innerer Frieden eingetreten. Der radikalste Flügel der UCK hat dort ein Terrorregime errichtet. Die nicht-albanischen Minderheiten sind zu Opfern einer brutalen 'ethnischen Säuberung' geworden. Hunderte verschwinden spurlos oder werden ermordet. Das Kriegsverbrechertribunal sollte dies ebenfalls genau untersuchen und die Verantwortlichen der neuerlichen ethnischen Reinigung auf dem Balkan beim Namen nennen, selbst wenn dabei die Unzulänglichkeiten der KFOR-Schutztruppe aufgedeckt werden." Das "Luxemburger Wort": "Die Nachricht von der bevorstehenden Auslieferung des früheren serbischen Diktators kommt spät, allzu spät, als dass wirklich Freude darüber aufkommen will. Fast auf den Tag genau zehn Jahre nach dem Beginn vom Ende von Titos Vielvölkerstaat mag man kaum mehr triumphieren. (...) In der Tat hat der Biedermann Milosevic eine entscheidende Rolle an Krieg und Verbrechen auf dem Balkan gehabt. Er war nicht bloß Werkzeug dieses Dramas, sondern spielte eine aktive, gestaltende Rolle (...) Somit ereilt Milosevic letztlich das gleiche Schicksal wie Chiles früherer Militärdiktator Augusto Pinochet. Ob das Schicksal Milosevics anderen Autokraten zur Abschreckung gereicht, ist schwer zu überprüfen - so gerne man es glauben möchte." (APA)