Europa
Bosnien, das zerrissene Land
Hoffnungen, dass dem multiethnischen Sarajewo ein blutiger Konflikt erspart bleibe, wurden enttäuscht.
Die Zwillingstürme der
Staatshandelsfirma UNIS
wurden zum Wahrzeichen des
belagerten Sarajewo: Wie
faule Zähne ragten die ausgebombten Bürobauten in den
Himmel. Noch Jahre nach dem
Friedensschluss von Dayton
zeigte die Digitaluhr im Erdgeschoß das Datum "6. April" an.
Damals, im Jahr 1992, begann
der Artilleriebeschuss von Sarajewo durch die bosnischen
Serben. Der Strom fiel aus, die
Uhr blieb stehen.
Am 6. April war Bosnien-
Herzegowina als Konsequenz
des Zerfalls Jugoslawiens international anerkannt worden. Die bosnischen Serben unter Führung des Psychiaters
Radovan Karadzic verließen
die gemeinsamen staatlichen
Institutionen. Diese hatten
nach den ersten freien Wahlen
Ende 1990 nie richtig funktioniert: Alle drei Ethnien -
Muslime, Kroaten, Serben -
vertrauten mehrheitlich ihren
Nationalparteien. Bis zum
Ausbruch der Feindseligkeiten glaubten die Bürger von
Sarajewo, dass ihnen der Krieg
erspart bliebe. "Bei uns gibt es
diese Feindschaft nicht", sagten viele, während das kroatische Vukovar von der Armee
zerschossen wurde.
Dabei rüsteten sich die Serben unter Karadzic längst für
den ungleichen Waffengang.
In den serbischen Siedlungsgebieten wurden Gewehre
verteilt, aus Kriminellen gebildete Freischärlertrupps wie
die "Tiger" des Bankräubers
(und Militärgeheimdienstlers)
"Arkan" sickerten aus Serbien
ein. Aber auch die Kroaten in
der Herzegowina, wo viele als
Freiwillige an der Vukovar-
Front waren, bereiteten sich
vor. Die Anstrengungen der
Muslime, "Grüne Barette" und
ähnliche Kampfverbände zu
formieren, nahmen sich dagegen kümmerlich aus und dienten der Belgrader Propaganda
lediglich als Rohmaterial für
Kriegshetze.
Marsch auf die Krajina