Die Steinewerfer von Seattle, Prag oder Davos haben eine fatale Wirkung: Jede Kritik am totalen Markt - vorgetragen von Vertretern unterschiedlichster ideologischer Lager - verblasst angesichts dramatisch inszenierter Bilder der Randale. Dabei haben die Kritiker der völligen Liberalisierung durchaus beachtenswerte, fundierte Analysen vorzubringen. Gehört werden diese selten, wenngleich sie zunehmend an Öffentlichkeit gewinnen und selbst in Davos vorgetragen werden konnten.

Jeder Pflasterstein ist ein willkommenes Argument, um sich nicht detaillierter mit den Folgen einer schrankenlosen Globalisierung der Wirtschaft auseinander setzen zu müssen. Die vermummten, nützlichen Idioten besorgen auch das Geschäft jener, denen demokratische Errungenschaften wie das Demonstrationsrecht irgendwie immer suspekt waren - gerade wenn es Andersdenkende in Anspruch nehmen.

So zu beobachten rund um die Vorbereitungen für den Salzburger Wirtschaftsgipfel. Schon im Vorfeld wurden mit dem Verweis auf irgendwie mögliche Unruhen Demonstrationen verboten. (Mit dieser Begründung hätten übrigens schon zahlreiche Fußballspiele abgesagt werden müssen.) Aber auch eine von der ohnehin sehr pragmatisch agierenden KPÖ geplante Standkundgebung ist noch immer nicht erlaubt. So wird Salzburg zur Nagelprobe für ein Grundrecht: Denn macht das Beispiel Schule, könnte bald jeder Zwischenfall bei Kundgebungen irgendwo auf der Welt zum Anlass für ein Demoverbot hierzulande werden.

Ein totales Kundgebungsverbot wäre letztlich freilich eine Aufforderung an jene, die Gewalt befürworten, wirklich nach Salzburg zu reisen, nur um zu beweisen, dass sie sich nichts verbieten lassen. Dies wäre dann die programmierte Eskalation. Ein generelles Verbot würde all jenen Munition liefern, die auf Konfrontation statt auf friedliche Demonstrationen setzen. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 26.6.2001)