Brüssel - Wieder ein Wettbewerbsnachteil für die europäischen Unternehmen im Visier der EU: unterschiedliche Rechnungslegungspraktiken in den Mitgliedstaaten. Zudem herrscht nicht überall die Transparenz, die sich internationale Anleger wünschen. Damit international tätige EU-Firmen deshalb nicht weiter bevorzugt auf die strengen amerikanischen Generally Ac- cepted Accounting Principles (GAAP) zurückgreifen - rund 300 tun dies bereits -, will die EU-Kommission die Anwendung der Internationalen Rechnungslegungsstandards (International Accounting Standards - IAS) forcieren. Ein entsprechender Verordnungsvorschlag liegt nun vor. Außerdem wurde vor kurzem die so genannte "fair value"-Richtlinie verabschiedet, nach der sämtliche Unternehmen unter anderem Informationen über derivative Finanzinstrumente wie Optionen, Swaps und Futures im Anhang zum Jahresabschluss offen legen müssen. Diese neue EU-Vorschrift modernisiert die Vierte Gesellschaftsrechtsrichtlinie (78/660/EWG) und die Siebente Richtlinie über den konsolidierten Abschluss (83/349/EWG) so, dass bestimmte Finanzinstrumente künftig zum "fair value" bewertet werden können. Dieser vermittelt eine genaueres und transparenteres Bild über die Finanzlage und -entwicklung eines Unternehmens als die herkömmlichen Bewertungsmethoden. Wo die "fair value"-Richtlinie einen Teilbereich regelt, soll die IAS-Verordnung zum großen Wurf werden. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission müssten ab 2005 alle auf einem geregelten Markt notierten Unternehmen - einschließlich Banken und Versicherungen - ihren konsolidierten Jahresabschluss nach den internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellen. Etwa 7000 börsennotierte Firmen wären betroffen. Das dritte aktuelle EU-Projekt ist übrigens, auch Umweltaspekte in Bilanzen zu berücksichtigen. (Jörg Wojahn, Der Standard, Printausgabe, 26.06.2001)