Linz/Wien - Der Exekutiv-Einsatz, der in der Nacht zum Montag eine Blockade am oberösterreichischen Grenzübergang Wullowitz beendet hat, sorgt für Aufregung. Für das Temelín-Hearing in der Wiener Hofburg am Dienstag kündigten Atomkraftgegner neuerlich Proteste an. Nach den Atomgegnern und den Grünen will nun auch die SPÖ dieses Hearing boykottieren. Die Demonstration in Wullowitz hatte am späten Sonntagnachmittag ihren Anfang genommen. Legal und ohne Zwischenfälle wurde die Bundesstraße Richtung Tschechien blockiert, der Verkehr konnte allerdings über Güterwege zur Übertrittsstelle gelotst werden. Einige Demonstranten waren damit jedoch nicht zufrieden und errichteten eine eigene Blockade. Dann divergieren die Aussagen: Während Atomkraftgegner behaupten, der Freistädter Bezirkshauptmann Hans Peter Zierl hätte noch eine Stunde vorm Exekutiveinsatz "keine Zwangsräumung" zugesichert, berichtet der Beamte anderes. "Ich habe das um 21.34 Uhr zugesichert, zugleich aber die Auflösung der Blockade gefordert", erzählt er. Als nächsten Schritt habe er die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens angedroht und schließlich die Personalien der Demonstranten aufnehmen lassen. Ob er eine gewaltsame Räumung auch später ausgeschlossen habe, wusste Zierl am Montag nicht mehr. Er sei aber in Kontakt mit dem Innenministerium und der Sicherheitsdirektion gestanden. Gegen 1.30 Uhr sei dann von Sicherheitsdirektor Heimo Siegel die Räumung angeordnet worden. Dabei sollen die Gendarmen dann mit "unglaublicher Härte" vorgegangen sein, berichten Atomgegner. Es sei zu Handgreiflichkeiten und brutalen Szenen gekommen, ein Kameramann eines lokalen Fernsehsenders soll verletzt worden sein. Verwaistes Hearing? Sicherheitsdirektor Siegel war am Montag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Der Leiter der Staatspolizei in Oberösterreich, Lothar Haslinger, war bei dem Einsatz vor Ort und widerspricht den Aussagen. "Es war ein ordnungsgemäßer Einsatz, bei dem eine Hand voll Demonstranten weggetragen werden mussten, um einen Fahrstreifen für den Verkehr freizumachen", berichtet er. Der Kameramann habe versucht, die Postenkette der Exekutive zu durchbrechen und sei zurückgedrängt worden, dabei sei aber "keine Verletzung wahrnehmbar gewesen". Ihr Ziel, die Absage des UVP-Hearings heute, Dienstag, in der Wiener Hofburg, haben die Demonstranten nicht erreicht. Allerdings könnte die Besucherzahl gering sein: Nach den Atomgegnern, die zu neuen Protesten aufriefen, wollten auch SPÖ und Grüne die Veranstaltung boykottieren. Die vorgelegten Unterlagen zur UVP seien mangelhaft, österreichische Bedenken würden ignoriert, so der Tenor. VP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat kritisierte diese Entscheidung. Durch den Boykott spiele man der tschechischen Atomlobby in die Hände, befürchtet die Politikerin. (moe/DER STANDARD, Print, 26.6.2001)