Wien - Bittet und euch wird gegeben? Seit klar ist, dass alle Lebewesen einschließlich des Menschen durch die Evolution zu eigennützigem Handeln programmiert sind, nagt die Wissenschaft an dem Problem, dass es auch altruistisches Verhalten gibt. Denn Altruismus bedeutet für den Helfer immer gewisse Kosten ohne unmittelbaren Nutzen. Bisher fand man zwei Erklärungen für solch scheinbar undarwinistisches Verhalten: Helfer und Empfänger sind entweder verwandt, oder sie treffen oft genug aufeinander, dass der Helfer im umgekehrten Fall seinerseits mit Hilfe rechnen kann. Allerdings helfen zumindest Menschen oft auch völlig Fremden, die den Gefallen in keiner Weise erwidern können - man denke nur an diverse Spendengelder. Hilfe heimzahlen Wie konnte sich solches Verhalten im Kräftespiel egoistischer Gene entwickeln und, mehr noch, wie kann es sich erhalten? Die mathematischen Modelle und Simulationen von Karl Sigmund, Mathematikprofessor an der Universität Wien, und Martin Nowak, zurzeit als Mathematiker am Institute for Advanced Study in Princeton, haben in den letzten Jahren Lösungsansätze für dieses Problem aufgezeigt. In einem dieser Modelle wurde deutlich, dass Kooperation selbst dann entsteht, wenn die Individuen einander nicht wieder begegnen. In diesem Fall wird Hilfe, die ein Teilnehmer empfängt, oft einem anderen vergolten. Man spricht von indirekter Reziprozität. Dass diese tatsächlich stattfindet, bewiesen praktische Experimente der Verhaltensökologen Manfred Milinski und Claus Wedekind mit Studenten, die um echtes Geld spielten: Wer selber oft gab, war auch oft Empfänger. Image geht vor Geld Für Sigmund und Nowak spielt Image eine wesentliche Rolle bei diesen und ähnlichen Modellen oder Experimenten - auch beim so genannten "Ultimatum-Spiel". Dabei bekommt ein Spieler eine bestimmte Geldmenge angeboten, die er mit einem anderen teilen muss. Er macht dabei nur einmal ein Angebot. Akzeptiert das Gegenüber, wird geteilt. Lehnt er oder sie das Offert ab, bekommen beide Spieler nichts. Rein von der Vernunft her müsste der Empfänger in jede angebotene Summe einwilligen. Praktische Untersuchungen zeigen jedoch, dass dem nicht so ist: Unter einer gewissen "Schmerzgrenze" verzichtet er dankend. Das ist nicht nur eine Frage der Missgunst. Wie Sigmund und Nowak zeigen konnten, entwickelt sich die "Schmerzgrenze" auch im Laufe einer Simulation, allerdings nur dann, wenn die Teilnehmer Informationen über das Verhalten der anderen Spieler erlangen können. Unter diesen Umständen ist es von Nachteil, in den Ruf zu kommen, man würde sich mit allem zufrieden geben. Strafe vor Lohn? Zurzeit arbeiten Sigmund und Nowak an der Fragestellung, wie man Kooperation bei der Finanzierung öffentlicher Leistungen aufrechterhält. Klar ist mittlerweile bereits, dass es ohne Belohnungen bzw. Bestrafungen gar nicht funktioniert. Zudem sieht es stark so aus, als wäre Bestrafung das effizientere Mittel. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.06.2001)