Belgrad/Washington - Das Auslieferungsverfahren im Fall des früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic dürfte im Eiltempo beendet werden. Einer der Anwälte von Milosevic, Veselin Cerovic, vertrat am Dienstag die Ansicht, dass der Ex-präsident bis spätestens Sonntag an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellt werden dürfte. Unter Umständen könnte der entsprechende Beschluss bereits am Freitag vorliegen, meinte Cerovic.

Der Anwalt sagte dem Belgrader Sender B-92, dass der Ermittlungsrichter des Belgrader Kreisgerichts am Dienstag versucht habe, Milosevic in seiner Gefängniszelle zum Auslieferungsgesuch des Tribunals zu verhören. Der Expräsident lehnte es laut Cerovic ab, in Abwesenheit von Anwälten angehört zu werden. Deshalb wurde die Einvernahme auf Mittwoch verlegt.

Nach der Anhörung wird das Kreisgericht über die Auslieferung entscheiden. Cerovic erklärte weiters, dass Milosevic und seine Anwälte nach wie vor große Hoffnungen in einen Einspruch des Verfassungsgerichts setzen würden. Die Anwälte des Expräsidenten hatten am Montag das Regierungsdekret über Zusammenarbeit mit dem Tribunal beim Verfassungsgericht in der Hoffnung angefochten, die Überstellung von Milosevic zu verzögern. Milosevic selbst habe "resigniert", sagte Cerovic. Er sehe sich als einen "Gefangenen des Tribunals und der Nato-Allianz", erklärte der Anwalt.

"Gegen Verfassung"

Milosevic' Sozialistische Partei (SPS) hat den jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica aufgefordert, das Auslieferungsdekret wieder aufzuheben. Bei der Anordnung handle es sich um einen "groben Verstoß gegen die Verfassung", hieß es in einer Erklärung der SPS.

Trotz des Auslieferungsdekrets der serbischen Regierung halten die USA ihren finanziellen Druck gegenüber Belgrad weiter aufrecht. Das Dekret allein sei noch kein Beweis für die Kooperationsbereitschaft der Belgrader Regierung mit dem Haager Tribunal, sagte am Montag ein hochrangiger Vertreter des US-Außenministeriums. US-Botschafter William Montgomery werde bei seinem geplanten Treffen mit dem serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic auf weitere Fortschritte bei der Zusammenarbeit mit dem UN-Tribunal drängen. Davon hänge ab, ob die USA an der für Freitag geplanten Geberkonferenz in Brüssel teilnehmen werden. Milosevic ist von dem Haager Tribunal wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.

Nach Angaben des US-Vertreters wird eine endgültige Entscheidung über die Mitwirkung Washingtons an der Geberkonferenz am Mittwoch gefällt. Die jugoslawische Führung erwartet von der Konferenz eine Zusage über bis zu 1,2 Milliarden Dollar (19, 2 Mrd. S/1,4 Mrd. EURO)Unterstützung, um die brach liegende Wirtschaft zu sanieren. (APA/red, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 27.6.2001)