Wien - Der Vorgang wird Aktenlauf genannt. Doch es sind nicht die Akten, die laufen - sondern die Amtsdiener. Und zwar die Instanzen hinauf und wieder hinunter. Eine Personalentscheidung? Eine Budgetfrage? Rauf bis zur Magistratsdirektion - und wieder runter mit dem Akt.

Künftig werden die Amtsdiener allerdings weitaus weniger im Rathaus unterwegs sein. Und das liegt nicht (nur) an der Einführung des elektronischen Aktes. Denn hinter dem, was heute, Mittwoch, im Wiener Gemeinderat unter der nüchternen Bezeichnung "Vorstandsmodell" für die Magistratsdirektion beschlossen wird, verbirgt sich ein Kulturbruch mit alten Traditionen und Strukturen.

Mit einem Mal werden mehr Eigenverantwortlichkeit und Handlungsspielräume innerhalb der einzelnen Geschäftsgruppen und Abteilungen ermöglicht. "Die Magistratsdirektion muss doch nicht jedes Detail entscheiden", erläutert Magistratsdirektor Ernst Theimer das neue Modell. "Ihre Aufgabe ist es, operative Ziele und damit den Rahmen vorzugeben."

Die Folge ist, dass sich die Magistratsspitze von einigen ihrer bisherigen Aufgaben verabschiedet, die "nichts mit der strategischen Steuerung zu tun haben". Wie etwa von dem Referat für EU-Förderungen. Oder der Lehrlingsbetreuung. Oder gar von der "zentralen Poststelle".

Gleichzeitig wird die Magistratsdirektion in eine "strategische Konzernzentrale" nach Vorstandsmodell umgewandelt. Theimer selbst behält als "Vorstandsvorsitzender" die Agenden Strategie und Recht und behält sich einzelne klar definierte Entscheidungsbefugnisse für andere Geschäftsbereiche vor. Für die weiteren genau festgelegten Agenden sind sein Stellvertreter und weitere Bereichsleiter zuständig. Diese werden gemeinsam mit der Politik und den Abteilungen die operativen Ziele in "Kontrakten" festlegen. Wie die Abteilungen diese Zielvorgaben erreichen, sollen sie so weit wie möglich frei entscheiden können.

Gleichzeitig wird das Finanzmanagement der Stadt umgestellt: Die "Konzernzentrale" erstellt nur mehr das Budget und führt ein zentrales Controlling durch - der administrative Vollzug dieses Voranschlags bleibt dann aber den einzelnen Abteilungen überlassen.

Beschleunigte Abläufe

Was auf den ersten Blick wie eine reine verwaltungstechnische Reform aussieht, soll aber im täglichen Beamtenleben Entscheidungen und Abläufe wesentlich beschleunigen. Weil eben nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit "oben" nachgefragt und angesucht werden muss.

Wie weit die Beamten in die Eigenverantwortlichkeit entlassen werden, zeigt auch ein weiteres kleines Detail: Das bisherige Verbot, Telefone, Internet und E-Mail im Rathaus privat zu nutzen, fällt - und ist künftig "in unumgänglichem Ausmaß" gestattet. Theimer: "Ich kann mir für die Zukunft auch vorstellen, die private Nutzung von Internet gegen ein pauschaliertes Entgelt überhaupt freizugeben - sofern die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt wird."(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.6.2001)