Klagenfurt - 25 Jahre Bachmann-Wettbewerb lassen sich beispielsweise in Zahlen resü- mieren: 529 Autoren (wobei die erste Zahl bereits den ersten Fehler enthält, denn manche von ihnen traten mehrfach an, was von der Ziffer abzuziehen wäre - nun denn . . .) stellten sich mit einer Lesung von vorgeschriebenen 30 Minuten Länge aus vorgeschrieben unveröffentlichtem Material dem Publikum und der Jury des nunmehr "renommiertesten deutschsprachigen Literaturwettbewerbs". Den 529 : 2, also 264,5 Lesestunden entsprachen deren weitere 264,5, während welcher die Jurymitglieder laut oder leise, fundiert oder temperamentvoll, wohlwollend oder herablassend, in jedem Fall aber der eigenen Macht bewusst den ermatteten und nunmehr stummen Autoren (Letzteres eine Klausel, auf welcher Marcel Reich-Ranicki, schon damals Chefexekutor der Literatur, bestanden hatte: keine lästige Autoren-Widerrede, bitte sehr!) ihr so genanntes Spontanurteil verkündeten. Insgesamt 115 Autoren wurden für die Erduldung des de natura demütigenden Rituals mit Bargeld entlohnt: Als so genannte Sieger des Wettbewerbs teilten sie sich Blumensträuße, Urkunden und 8,308 Millionen Schilling an Preisgeldern und Stipendien, die während der vergangenen 24 Wettbewerbe ausgeschüttet wurden. Was mit den restlichen 414 angetretenen Wettbewerbsteilnehmern seit 1977 geschah, wird in Zahlen leider nicht öffentlich geführt. Für wie viele die teilweise hoch verletzende Kritik der Instanzen zu Schreibstörungen führte, die möglicherweise eine Schriftstellerexistenz vor der Zeit beendeten, darüber schweigt die Statistik. (Gab es übrigens je ein Buch mit der Ehrenbanderole "Bachmann-Verlierer des Jahres"? Immerhin zählte Rainald Goetz trotz spektakulären Messerschnitts 1983 ebenso zu den Ungekürten wie Jörg Fauser oder unlängst Thomas Kapielski und Thomas Jonigk.) Interessanter wären die Umsätze, die die ausverkauften Viersternehotels in Klagenfurt durch den Wettbewerb erwirtschafteten, reist doch alljährlich eine Hundertschaft an Medien- und Verlagsangestellten zum Wörter-Meer, um die tourismus-freundlich an den Beginn der Ferien platzierten Literaturtage als Auftakt der Sommerwochen zu nutzen. Oder die Abendeinnahmen von Maria Loreto, dem teuren Fischlokal am Seeufer.
"Sonntagsbraten 2001"
Gemeinsam mit den Presseunterlagen erhält der Durchschnittsjournalist als Gratispräsent jedenfalls eine hübsche, lindwurm- und blüten-gezierte rote Mappe, anständig gefüllt mit Freizeitgestaltungstipps in der "Rose am Wörthersee": Dem "Sonntagsbraten 2001" ist darin heuer ein ebenso informativer Folder gewidmet wie dem "Schlosswandern", dem "Radwandern", dem "Altstadtwandern" oder anderem "Fit & Fun 2001". Auch medientechnisch betrachtet ist der Wettbewerb der einzige ernsthafte Klagenfurter Konkurrent des Landeshauptmanns: Seit 1989 überträgt 3Sat die Veranstaltung in voller Länge, ganz wie Wimbledon, die Olympischen Spiele oder die Fußballweltmeisterschaft. Dreieinhalb Tage lang Literatur pur. Mit Großaufnahmen auf die Gesichter der Verurteilten während des Niedersausens des Scharfrichterbeils. Was Wunder, dass Kulturpurist Jörg Haider ihm im vergangenen Jahr (der Name Bachmann war ihm, aus Protest gegen die schwarz-blaue Regierung, von deren Erben eben entzogen worden - seither titelt man umfassend "Tage der deutschsprachigen Literatur") bescheinigte, "steril und langweilig" geworden zu sein, und ihm das Preisgeld des Landes Kärnten entzog. Anders als Jörg Haider nämlich verjüngt sich der Wettbewerb jährlich. Nicht nur die Autoren, auch die Jurymitglieder präsentieren sich zunehmend faltenfrei. Heute, Mittwoch, pünktlich zum Ende der zweiten Runde von "Taxi Orange", starten Kärnten, der ORF, dessen Kärntner Landesstudiochef Ernst Willner mit Humbert Fink die Erfolgsserie 1977 begründete, und die deutschsprachige Literaturwelt ihre 25. Bachmann-Staffel. Lang vor "Big Brother" entdeckte die Literatur das Erfolgsprinzip Eliminationsspiel. Neu abgeguckt aber sind die hübschen Trailer, in denen sich die Autoren präsentieren. Per Video. Privat. (DER STANDARD, Printausgabe vom 27. 6.2001)