Turbulent war der Aufstieg von Libro vom einfachen Buchdiskonter zu einer supermodernen international expandierenden "Tainment-Company". Der Marktführer im heimischen Buch- und Schulartikelhandel hat heute rund 3.200 Beschäftigte und betreibt 269 Libro- und 30 Amadeus-Filialen in Österreich sowie 18 Filialen in Deutschland. Turbulent verlief in den vergangen Wochen auch der wirtschaftliche Absturz. An der Börse war dies schon vorweggenommen worden. Nach Kursstürzen auf mittlerweile 3 Euro büßte das seit November 1999 in Wien notierte Papier schon mehr als 90 Prozent ein.

Libro ging ursprünglich aus dem Wlaschek-Imperium um den Handelsriesen Billa hervor. Das Unternehmen wurde 1978 als 100-prozentige Billa-Tochter gegründet und war zunächst ein reiner Buchdiskonter. Später wurde das Sortiment um Musik-, Papier- und Schreibwaren erweitert.

1984 übertrugen die Billa-Manager Karl Wlaschek und Veit Schalle dem visionenreichen Manager Andre Rettberg (heute 43) die Sanierung der angeschlagenen Libro-Diskontkette.

Als 1996 der Billa-Konzern vom deutschen Handelsriesen Rewe übernommen wurde, blieb die Libro-Kette zunächst noch in der Wlaschek Privatstiftung. In diesem Jahr begann auch der – letztlich erfolgreiche – Kampf von Rettberg gegen das System der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung, gegen das Libro eine Beschwerde bei der EU-Kommission einbrachte. Heute sind nur noch nationale Systeme zugelassen, die freilich wenig an den gebundenen Buchpreisen änderten.

Management Buy Out

Zwischen 1996 und 1997 kam es dann zu einer Art Management Buy Out. Ende 1997 ging Libro zur Gänze an ein Konsortium um die börsenotierte Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft Unternehmens Invest AG (UIAG) und die Deutsche Beteiligungs AG (DBAG), die das Unternehmen an die Börse bringen wollte. Rettberg sowie der frühere Finanzvorstand Johann Knöbl beteiligten sich ebenso wie eine Gruppe von Investoren an der Handelskette. Libro gehörte damals mit 1.400 Beschäftigten in 220 Filialen und einem Umsatz von 3,5 Mrd. S (per 28. Februar 1997) bereits zu den sechs größten Buchhändlern im deutschen Sprachraum.

Viel Geld steckte der Konzern in die Expansion. Im Juni 1998 übernahm er von der Passauer Verlagsgruppe die zweitgrößte heimische Buchkette, den Oberösterreichische Landesverlag GesmbH mit seinen Amadeus-Medienhäusern. Während die geplante Deutschland-Expansion – die sich letztlich als zusätzlicher Klotz am Bein erwies – zunächst gelang, wurde von einem großangelegten Einstieg auch in mehreren Oststaaten noch rechtzeitig Abstand genommen.

Im Juni 1999 stieg Libro in den boomenden Internetmarkt ein: Mit Lion.cc wollte "Mr. Libro" Rettberg nicht nur ein Pendant zum Internet-Buchhändler "amazon" aufbauen, sondern ganz nebenbei auch die Buchpreisbindung weiter untergraben. Zudem wollte Libro über eine Kooperation mit dem Wiener Telekomunternehmen CyberTron unter dem Namen "LibroTel" groß ins Telefongeschäft einsteigen.

Das Geld dazu sollte vom milliardenschweren Börsegang von Libro kommen. Im Vorfeld des Going Public fand Libro dann im Oktober als wesentlichen strategischen Aktionär die Telekom Austria (TA), die sich mit 25 Prozent und einer Aktie beteiligte und 1,2 Mrd. S löhnte. Der Kaufpreis floss – wie später bekannt wurde – zur Gänze an die Altaktionäre.

Börsengang

Der Börsegang von Libro erfolgte am 10. November 1999. Der Ausgabekurs der Aktie betrug 29 Euro und spülte mehr als eine Milliarde Schilling in die Libro-Kasse. Heute Nachmitag notierte die Aktie bei 3,79 Euro. "Rettbergs Meisterstück" – u.a. der Börsegang und der Umbau zur Internet-Company – hievte den bisherigen "Buchpreisbrecher" im Jahr 1999 noch zum "Manager des Jahres".

Die Deutschland-Expansion – durch die Übernahme von 11 Boulevard-Filialen von Bertelsmann Anfang 2000 – und das Internet-Engagement drückten allerdings bereits im Geschäftsjahr 1999/2000 (per 29. Februar) kräftig aufs Libro-Ergebnis. Der Konzern rutschte in die Verlustzone. Die Libro-Führung sprach von einem "Jahr der Weichenstellung" und kündigte dennoch an, man werde nun erst "richtig Gas geben".

Im Oktober 2000 beteiligte sich dann die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) mit 35 Prozent an der Libro-Internet-Tochter Lion.cc. Aus dem ursprünglich intendierten WAZ-Engagement mit 10 Prozent an Libro selbst wurde nichts.

Liquiditätsschwierigkeiten

Als kurz vor Weihnachten 2000 erste Gerüchte über Liquiditätsschwierigkeiten des Libro-Konzerns – verspätete Mietzahlungen und Rückstände bei Lieferanten – aufkamen, wurde dies vom Unternehmen in der Öffentlichkeit noch abgewiegelt. Hinter den Kulissen haben aber Wirtschaftsprüfer bereits akuten Sanierungsbedarf geortet.

In den ersten Monaten 2001 verschärfte sich die Lage drastisch. Im April 2001 war noch von einem totalen Konzernumbau und Management-Rochaden die Rede. Im Mai musste Libro eingestehen, bei den Banken mit 2,3 Mrd. S in der Kreide zu stehen und Zahlungsprobleme zu haben. Am 22. Mai wurde erstmals der Jahresverlust des Konzern von 1,2 Mrd. S beziffert. Allerdings gibt es dafür bis heute kein Wirtschaftsprüfer-Testat. Noch an diesem selben Abend im Mai beschlossen die Banken in einem ersten Krisengipfel, bis 30. Juni – also bis zum Ende der insolvenzrechtlichen 60-Tage-Frist – keine Kredite fällig zu stellen. Mittwoch Abend beschlossen die Gläubigerbanken die Medienhandelskette in den Ausgleich zu schicken und stellten gleichzeitig eine Auffanglösung in Form einer Stiftung bereit. 500 Millionen Schilling Überbrückungskredit wurden ebenso bereit gestellt. (APA)