Technik
Halbtransparentes Display verbessert Chirurgie
Entwicklung vom BMBF mit knapp sechs Milionen Mark gefördert
Darmstadt - Mit einem frei schwenkbaren, halbtransparenten Display wollen Wissenschaftler die Endoskopie wie auch die minimalinvasive Chirurgie entscheidend verbessern. Das so genannte "Augmented-Reality-Fenster" (AR) soll Bildinformationen über den Zustand von Organen, Gewebeteilen und Knochen liefern und sie dem Arzt bei Bedarf während der Operation zugänglich machen.
Dafür werden vor dem Eingriff die einzelnen Datensätze des Patienten aus Ultraschall, Computertomographie und Röntgenaufnahme im Rechner zu dreidimensionalen Modellen zusammengefügt. Die Daten stehen dem Arzt damit vor und während des Eingriffs zur Verfügung. Das Display soll sich mittels Schwenkarm unmittelbar über der Eingriffsstelle platzieren lassen. Vor dem Auge des Chirurgen entsteht dann ein "gläserner" Körper. Der Chirurg kann sich die Computergrafiken einblenden lassen, die er aktuell benötigt. Er erhält damit auch Einblick in tieferliegende Strukturen und kann seine chirurgischen Instrumente präziser ansetzen.
Besonders wichtig in Neurochirurgie und bei Endoskopie
"Das ist insbesondere in der Neurochirurgie und bei der Endoskopie wichtig, da diese Operationstechniken millimetergenaues Vorgehen erfordern", erläuterte Michael Schnaider, Leiter der Abteilung "Visual Computing" am Zentrum für Graphische Datenverarbeitung. "Der Arzt muss die Instrumente durch natürliche Körperöffnungen oder möglichst kleine Einschnitte einführen und dann vorsichtig bis zur Operationsstelle vordringen." Mit Hilfe des AR-Fensters kann er die Position der Instrumente genau erkennen. Außerdem werden ihm gleichzeitig die Aufnahmen der endoskopischen Minikamera aus dem Körperinneren eingeblendet.
Die größte Herausforderung für die Wissenschaftler ist jedoch nicht allein die Entwicklung des halbtransparenten Displays, sondern dessen genaue Positionsbestimmung, das so genannte "Tracking" da sich Realität und computererzeugte Bilder präzise überlagern müssen. "Abweichungen von einem Grad reichen schon aus, um den Eindruck zu zerstören", so Schnaider. Um Differenzen zu minimieren, müssen deshalb fortlaufend die Blickrichtung des Arztes sowie die Positionen des Patienten, des Displays und der Instrumente bestimmt und in Echtzeit neu berechnet werden.
Weiterbildung verbessern
Gelingt es den Wissenschaftlern, diese kritischen Punkte zu lösen, können die Systeme nicht nur die Operationssäle erobern, sondern auch die Aus- und Weiterbildung der Mediziner verbessern. Ein Einsatz der Displays ist jedoch auch für andere Berufsgruppen interessant – ein Wartungstechniker könnte sich über das AR-Fenster beispielsweise relevante Zusatzinformationen einblenden lassen, die ihm bei der Reparatur einer Maschine helfen.
Die Technologie der Augmented Reality – der so genannten erweiterten Realität – ist nicht neu. Doch für Chirurgen gibt es bisher nur die Möglichkeit, sich über eine Datenbrille die Zusatzinformationen einblenden zu lassen. Solche "Head Mounted Displays" lehnt die Mehrzahl der Chirurgen aus ergonomischen Gründen jedoch ab, da Datenhelme, Kameras und Kabel die Blick- und Bewegungsfreiheit stark einschränken. Mit dem AR-Fenster sollen diese Probleme der Vergangenheit angehören. Angestrebt wird außerdem, dass das System auf natürliche Interaktionen wie Gesten und Sprache reagiert, damit sich der Chirurg uneingeschränkt auf das Operationsfeld konzentrieren kann. An der Entwicklung sind neben dem Zentrum für Graphische Datenverarbeitung unter anderem das Fraunhofer-Institut und die Universitätsklinik Frankfurt im Verbundprojekt "MEDARPA" beteiligt. Es wird vom BMBF mit insgesamt knapp sechs Mio. Mark über drei Jahre gefördert. (pte)