Film
Jack Lemmon, <br>1925-2001
Der Komödiant und Charakterdarsteller ist am Mittwoch verstorben
Los Angeles - Ein Stadtneurotiker mit fahriger Motorik,
Gesten, die ins Leere gehen,
oder einfach ein Gesichtsausdruck, der mit dem Verbergen
innerer Befindlichkeit nie
ganz zurande kommt - mit
komischem Ausgang wie unter tragischen Vorzeichen.
Jack Lemmon, der verliebte
Musiker in Frauenkleidern
aus
Some Like It Hot
, der naive
Ordnungshüter aus
Irma La
Douce
oder der quengelige
Scheinkranke aus
The Fortune
Cookie
, wurde 1925 in
Newton, Massachusetts, geboren - als einziger Sohn eines
Handelsangestellten, der es
später zum Vizepräsidenten
der Doughnut Company of
America brachte. Als Achtjähriger stand er das erste Mal auf
einer Bühne, und damals bereits, so Lemmon später, habe
er das Gefühl allgemeiner Anerkennung so genossen, dass
er bis hin zu seiner Studienzeit in Harvard keine Gelegenheit ausließ, seinen späteren Beruf zu erproben.
Lemmon gehört bereits zu
jener Generation von Schauspielern, die übers Fernsehen
zum Kino kamen: Fernsehen
hieß damals unter anderem
Schauspielen vor Livekameras - eine Erfahrung, die nicht
zuletzt den Teamgeist schulte.
1948 hatte er erste Gastauftritte, die Sitcom
That Wonderful
Guy
(1949-50) brachte ihm die
erste Hauptrolle.
Lemmons Filmkarriere begann in den 50er-Jahren. In
George Cukors turbulenter
Komödie
It Should Happen to You
(1954) debütierte er in der
Rolle eines Dokumentarfilmregisseurs, der mit einem Millionär um die Gunst einer aufgeweckten jungen Dame (Judy
Holliday) buhlen muss.
Fünf Jahre später fand
schließlich jenes kurze Treffen statt, das Lemmon endgültig in andere Dimensionen von
Bekanntheit befördern sollte:
Billy Wilder sprach ihn in einem Restaurant an. "Er erklärte mir in zwei Minuten die
Handlung von
Some Like It
Hot
. Er sagte: 'Zirka 80 Prozent
des Films wirst du in Frauenkleidern spielen - willst du
das machen?' Ich brauchte
ungefähr zwei Sekunden, um
Ja zu sagen. Weil es Billy war.
In anderen Händen hätte das
eine furchtbar peinliche Burleske werden können."
Leinwandpartner
Lemmons Name ist untrennbar mit denen seiner
langjährigen (männlichen)
Mitstreiter verbunden. Auch
seine ursprüngliche Vorliebe
für Nebenrollen ("Ich bin kein
Leading Man, kein Komödiant
- ich bin ein Charakterdarsteller.") verweist auf ein
Selbstverständnis als Ensemble-Spieler: Vor allem mit
Walter Matthau und Billy
Wilder wird er assoziiert.
In sieben Wilder-Filmen trat
Lemmon auf, das
Odd Couple
kann auf 14 Kollaborationen
zurückblicken. Dabei sollte
man über die Komödien nicht
vergessen, wie Lemmon die
Charakteristika seiner Leinwand-Persona in ernstere Geschichten einbrachte (
The
Apartment
,
The China Syndrome
,
Missing
), oder auf seine einzige Regiearbeit - das
Altersdrama
Kotch
(1971).
Achtmal für einen Oscar nominiert, konnte er die Trophäe
für
Mister Roberts
(1955) und
Save The Tiger
(1973) mit nach
Hause nehmen.
Zuletzt arbeitete Lemmon
vor allem fürs Fernsehen. Seine letzten großen Kinorollen
hatte er abermals an der Seite
von Walter Matthau, den er
nur um fast ein Jahr überlebte
- am Mittwoch ist Jack Lemmon 76-jährig im Beisein seiner Frau, der Schauspielerin
Felicia Farr, seiner Kinder
Christopher, Courtney und
Denise in einer Krebsklinik in
Los Angeles gestorben.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 6. 2001)