Welt
Carnuntum: Bisher unbekannter Tempel aus der Luft entdeckt
Erfolgsbilanz der Luftarchäologen vorgestellt
Wien - Archäologen haben bei Erkundungsflügen erst heuer in Carnuntum, der antiken
Hauptstadt der römischen Provinz Pannonien, die Umrisse eines bisher
völlig unbekannten Tempels entdeckt.
Bei einem von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
(ÖAW) organisierten Presseflug am Donnerstag waren die Umrisse und die inneren Strukturen
des Tempels mit einer Seitenlänge von rund 30 Metern aus einer
Flughöhe von rund 300 Metern auch für den Laien deutlich zu
erkennen.
Der Tempel ist nicht die einzige Entdeckung aus der Luft.
"Erst kürzlich haben wir in Carnuntum zwei Gräberfelder aufgespürt,
eines davon aus der Spätantike, was uns besonders freut, weil wir
über diese Zeit bisher sehr wenig wissen", erklärte der
Luftbildarchäologe Michael Doneus vom Institut für Ur- und
Frühgeschichte der Universität Wien.
Alleine in den letzten beiden Jahren konnten mit Hilfe der
Luftbildarchäologie über 300 archäologische Fundstellen neu entdeckt
und dokumentiert werden. Darunter befinden sich zahlreiche Siedlungen
und Befestigungsanlagen aus der Stein- und Bronzezeit, römische
Villen und Lager, Gräberfelder aus dem Frühmittelalter sowie
mittelalterliche Siedlungen. "Das sind Funde, die wir sonst nie
erkannt hätten", betonte Univ.-Prof. Herwig Friesinger, Professor am
Institut für Ur- und Frühgeschichte und Sekretär der
philosophisch-historischen Klasse der ÖAW.
So haben erst die Luftbilder zur Entdeckung bisher völlig
unbekannter Kreisgraben-Anlagen aus der mittleren Jungsteinzeit
geführt. Mittlerweile wurden im mitteleuropäischen Raum rund 80
dieser rund 7.000 Jahre alten Überreste menschlicher
Siedlungstätigkeit gefunden, alleine 40 davon in Österreich. Bei
Grabungen haben die Archäologen dann herausgefunden, dass damals, am
Beginn der Sesshaftwerdung, tiefe V-förmige Gräben in zwei
konzentrischen Kreisen ausgehoben wurden. Über die Funktion dieser
Anlagen tappen die Archäologen noch völlig im Dunkeln. Da im Inneren
keine Siedlungsreste gefunden wurden, vermuten sie eher einen
kultischen Zweck. Vielleicht weiß man bis 2005 etwas mehr darüber,
denn dann will sich die Niederösterreichische Landesausstellung
diesen mysteriösen Kreisgräben widmen.
Sichtbar werden die im Boden verborgenen Strukturen durch ihre
Auswirkungen auf die Vegetation. So haben sich uralte Gräben im Laufe
der Jahrtausende mit Material wieder angefüllt, das nährstoffreicher
ist und auch Wasser besser speichert als jenes der Umgebung. So
wächst Getreide über diesen Gräben deutlich besser und höher. Den
umgekehrten Effekt haben Mauern. Die Pflanzen über solchen
Gebäuderesten bekommen weniger Wasser und wachsen schlechter. Beide
Phänomene lassen sich in bestimmten Vegetationsperioden deutlich aus
der Luft erkennen, antike Straßen, Befestigungsanlagen,
Gebäudeumrisse oder Gräber zeichnen sich klar ab.
Die Kunst der Archäologen ist es, die Luftbilder richtig zu
interpretieren. Sie müssen erkennen, ob es sich bei den sichtbaren
Strukturen um steinzeitliche Kultstätten, antike Tempelmauern,
mittelalterliche Dörfer oder Schützengräben aus dem Zweiten Weltkrieg
handelt.
(APA)