Österreich ist ein Pensionistenstaat. Das Recht im eben ausgerufenen Pensionopolis geht von der Kinderscheckbewegung aus, der Jörg Prinzhorn vorsteht. Ausgeklügelt wurde die Wenderepublik in einer ausländerfeindlichen Männersauna. Ihren Probelauf - jede Pension steht im Verfassungsrang eines Kinderpopos - absolviert die Wenderepublik im hintersten Gailtal.

Demgegenüber steht die Koalitionsregierung mit leeren Händen hilflos da. Sie hat gute Wirtschaftsdaten, kann hohen Beschäftigungsstand vorweisen, zahlt seit Jahrzehnten verlässlich ansehnliche Pensionen aus, immer früher, immer länger, fördert Kinder und Familien, fast so großzügig wie in Luxemburg, großzügiger als die stinkreichen Deutschen. Und doch haben die sonst so geldorientierten Vorarlberger in erschreckend hoher Zahl gegen die Regierung und für die Bärentaler Wenderepublik gestimmt.

Diktatur ...

Viele haben eine Vision: Der 3. Oktober wird schrecklich werden. Die Rache der Zufriedenen wird grausam sein. Schon jetzt jubeln viele tüchtige und fleißige Pensionisten in den Bierzelten den Herrschaften zu, die ihnen das Fell über die Ohren ziehen. Bald wird die Bewegung zur Parteibuchverbrennung aufrufen. Das politische Analphabetentum schafft neue Rituale.

Ist es wirklich nur Saturiertheit und Fadesse, die Junge und Alte zu wahrnehmungsgestörten Überläufern werden lässt? Ist der Fremdenhass, ausgerufen von eingeengten Freiheitlichen, unverschämt gehätschelt im Polizeiministerium, schon so weit gediehen, dass man die Menschenverächter am Ruder sehen will?

Ich denke, es gibt versteckte, aber handfeste Gründe für die Rache der Zufriedenen, die nicht nur die beiden Koalitionsparteien, sondern auch Grüne und Liberale trifft. Ich verweise auf die Arbeitsplatzverhältnisse von Arbeitern und Angestellten.

Unter Bruno Kreisky gab es die Forderung nach "Demokratisierung aller Lebensbereiche". Von einer neuen "Kultur am Arbeitsplatz" war die Rede. Mitdenken und Mitreden sollten alle, es sollte der Veränderungswille nicht an Betriebsrat und Gewerkschaft weiterdelegiert werden.

Durch dieses "Non delege"-Prinzip entstanden außerhalb und neben den Parteien Basisgruppen, die dem Zweiparteien- und Kammerstaat einiges an Analyse und Reformkonzepten vorlegten. Diese Demokratisierer benützten geschickt die Öffentlichkeit, stellten auch häufig "alternative Gegenöffentlichkeit" her. Es gibt kaum eine Zeitschrift oder Zeitung, in der nicht Demokratiebewegte von damals leitende Journalisten von heute sind.

Von Demokratie am Arbeitsplatz kann heute keine Rede sein. Wer Kritik äußert, wer einen Vorschlag macht, mag er noch so gut oder berechtigt sein, wird eher bedroht als ernst genommen. Egal, ob in der Fabrik oder im Spital, in sozialen Einrichtungen oder im Handel: Überall wird der Hinweis plakatiert, dass genügend andere auf einen Posten warten. Wer anders denkt als der Vorgesetzte, wird zum Unruhestifter erklärt.

Am ärgsten treiben es mitunter Gewerkschafter, die, zu Bossen aufgestiegen, mit Orden dekoriert, Mitarbeiter per Disziplinarordnung bedrohen und schikanieren.

Manche gehen so weit, per Denunzierung das Lob von Generaldirektoren oder leitenden Angestellten gerade dann einzufordern, wenn deren Unfähigkeit, Dummheit oder deren autoritäres Verhalten vertuscht werden muss. Nicht wenige dieser emporgekommenen Schreckensgeneräle sind Kopfgeburten der großen Koalition.

... des Dienstwegs

Die Benutzung der Öffentlichkeit ist inzwischen unter Androhung sofortiger Entlasung gänzlich verboten. Wer mit der Maßnahme des Dienstgebers nicht einverstanden ist, sie für falsch oder gar schädlich hält, kann dies auf dem vorgeschriebenen Dienstweg dem Dienstgeber mitteilen.

Erfolg? Alles bleibt gleich schlecht, nur der Dienstwegbenützer ist entlassen.

Derartig herabwürdigende, niederträchtige Arbeitsplatzverhältnisse provozieren ein starkes Rachebedürfnis an jenen, die politisch diesen riesigen Maulkorb am Arbeitsmarkt verantworten. Auch wer zufrieden ist mit seinem Einkommen, setzt am Wahltag einen Vergeltungsschlag gegen "die Altparteien". Still und heimlich, wie sie es am Arbeitsplatz gelernt haben, die einen, laut und grölend, die schon auf alles pfeifen. Devise: Wenn schon "Goschen halten", dann wollen wir dabei auch noch stramm stehen: auf zu Haider.

Für das verordnete, unheilvolle Stillschweigen am Arbeitsmarkt hatten die Parlamentarier, auch liberale und grüne, bisher kein Gespür. Kein Wunder, sind doch alle der normalen Arbeit entkommen. Ausnahme: Peter Pilz. Seit man ihm per Gerichtsurteil selbst das Maul stopfte, realisiert auch er die Maulkorbverhältnisse der gemeinen Lohnsteuerpflichtigen.
Werner Vogt ist Unfallchirurg und Publizist in Wien und war in der Kreisky-Ära Mitbegründer der "Kritischen Medizin".